Eines gleich zu Anfang: Auf die rechtliche Situation zur „Entnahme von Fischnährtieren“ möchte ich nicht eingehen. Dazu wurde an anderen Stellen schon genug geschrieben. Fischfutter fangen ist grundsätzlich genehmigungspflichtig und man hat sich an die örtlich gegebenen Fischereigesetze der Bundesländer zu halten. Ebenso muss eine Erlaubnis des Eigentümers des Gewässers vorliegen. Hiermit beende ich auch schon das Rechtliche.
Höffige Gegend um Bamberg
Ich befinde mich in der besonderen Lage, verschiedene Gewässer mit unterschiedlichen Nährtieren direkt in nächster Umgebung zu haben. Alle Teiche und Tümpel sind mit dem Auto in maximal 10 min von zu Hause aus zu erreichen. Dadurch kann ich meinen Fischen (auch den Jungfischen) fast zu jeder Jahreszeit abwechslungsreiches Futter in allen Größen anbieten.
Angefangen habe ich mit dem Tümpeln schon in einem Alter von etwa zwölf (also vor über 20 Jahren). Unser lokaler Aquarienverein pflegte damals noch fünf oder sechs Bombentrichter aus dem zweiten Weltkrieg, die in einem militärischen Sperrgebiet der Amerikaner lagen, und bewahrte diese durch jährliche Arbeitsmaßnahmen vor dem Verlanden. Für den Zutritt auf das Geländes besaßen wir vom Obersten Kommandanten der Army eine Sondergenehmigung. Ein Vereinskollege (der Kreis der Aktiven war damals schon verschwindend klein) ging damals jeden Sonntag um 10 Uhr zum Futterfangen. Mein Vater, meist auch noch mein Freund Alexander DORN und ich waren bei Wind und Wetter selbst im Winter tümpelnd unterwegs. Im Sommer wurden wir von Mücken gepiesackt, im Herbst versank man fast in dem sumpfigen Wäldchen und im Winter war das Eis oft mehr als zehn Zentimeter dick. Aber immer gab es bestes Lebendfutter: Im Frühjahr Schwarze Mückenlarven (Culex), im Sommer große Rote Wasserflöhe (Daphnia) und im Winter Cyclops und Weiße Mückenlarven (Chironomiden). Mit einer großen Axt hackten wir ein Loch in das Eis und fingen die „Weißen“. Nach dem Aufhacken des Eises waren wir dann oft bis auf die Knochen durchnässt. Aber dieser für Außenstehende kaum nachzuvollziehende Aufwand gehörte einfach dazu und machte Spaß. So lernten wir schnell die Grundlagen, die ein guter, tümpelnder Aquarianer wissen muss. Da war das Wissen über einen ordentlichen – natürlich selbst gebauten – Kescher, über den passenden Stoff (Gardine, gelegentlich auch mit hübschem Blumenmuster) mit der richtigen Maschenweite. Ebenso der richtige Umgang damit (immer in Form einer Acht durchs Wasser keschern) und natürlich die zu den verschiedenen Jahreszeiten vorkommenden Tümpelorganismen sowie deren Einsatz, Nutzen und Wirkung für unsere Fische. Leider sind unsere alten Tümpel durch fehlende Pflege und durch erhöhte Sicherheitsmaßnahmen seit „9/11“ kaum mehr zugänglich.
Schwankende Fangmengen
Wenn ich Zeit habe (etwa im Urlaub) und das Wetter einigermaßen passt, gehe ich fast täglich zum Tümpeln, meist aber ein bis zwei mal in der Woche. Immer wieder erstaunt mich die Beobachtung, dass dort, wo am Tag zuvor noch Unmengen an Futter vorhanden waren, am nächsten Tag mitunter gar nichts mehr zu fangen ist. Zu beobachten sind dabei tageszeit- und wetterbedingte Schwankungen. Der die Fangquote am stärksten beeinflussende Faktor ist sicher das Wetter. Die besten Erträge hat man auf der dem Wind entgegengesetzten Seite eines Teiches, da die Futtertiere vom Wind auf eben diese Seite getrieben werden. Bei Sonnenschein fängt man besser als bei bewölktem Himmel (zumindest Wasserflöhe und andere photophile Kleinkrebse). Regen scheint die Futtertiere in tiefere Wasserschichten zu drücken. Ebenso fängt man zu unterschiedlichen Tageszeiten verschiedene Futtertiere an ein und der selben Stelle.
Die Ausrüstung
Um beim Tümpeln erfolgreich zu sein, benötigt man die richtige Ausrüstung. Ich besitze zwei verschiedene Netze. Es sind gekaufte Kescher mit einem Durchmesser von 30 cm aus genormter Müllergaze. Ein flaches (Tiefe etwa 30 cm), grobes Netz mit 220 μm Maschenweite zum Tümpeln in seichten, verkrauteten Tümpeln, aber auch zum Fang von grobem Futter in Teichen, zum Beispiel Daphnien, die besonders in den warmen Monaten oft in Massen auftreten. Ein weiteres, tieferes Netz (Tiefe etwa 50 cm) mit einer
Maschenweite von 50 μm dient zum Fang von Cyclops-Nauplien, die ich an winzige Jungfische verfüttere. Zu beachten ist hier, dass dieses Netz nicht einfach durch das Wasser gezogen werden kann sondern, da das Wasser nur sehr langsam durch den engmaschigen Netzstoff fließen kann, eher geschöpft werden muss. Der Netzrahmen ist mittels Gewinde an einem in drei Teile zerlegbaren, drei Meter langen Stock befestigt. Zum Transport des Fanges benutze ich fünf bzw. zehn Liter (je nachdem wie viel Futter ich gerade benötige) fassende, gut gereinigte Farbeimer mit dicht schließendem Deckel. Um das Futter zu Hause nach Größe zu sortieren, nutze ich Siebe in der Maschenweite zwischen 2000 μm und 30 μm und mit einem Durchmesser von 10 cm. Bewährt haben sich bei mir ein Siebe-Set mit Maschenweiten von 280 μm, 150 μm (kann man auch zum Sieben von Artemia-Nauplien verwenden), 80 μm und 30 μm (z.B. für Cyclops-Nauplien, aber auch Pantoffeltierchen, Paramecium). Ein grobes Sieb von 2000 μm oder 1000 μm zum Absieben von Schmutz wie Blättern, Ästchen und anderem hat sich ebenfalls bewährt. Solche Siebe und Netze sind im Internet z.B. bei artemia-shop.de zu erwerben. Netze können aus passendem Stoff natürlich auch selbst hergestellt werden. Bauanleitungen findet man ebenfalls im Internet z.B. unter tuempeln.de. Wo lohnt aber das Tümpeln? Einen Versuch ist es überall wert. Im kleinsten Gewässer (z.B. Regentonne) bis hin zum See. In vielen Gewässern findet man aber erst mal nichts und „gute“ Tümpel sind Geheimtipps, die oft gehütet werden. Ein Kontakt zu einem örtlichen Aquarienverein ist hier zu empfehlen. Dort wissen die „Alten Hasen“ meist sehr genau, wo und wann es sich lohnt, tümpeln zu gehen.
Tümpeln in Kläranlagen?
Oft wird das Tümpeln in Klärbecken (meist im letzten Becken, in dem das gereinigte Wasser noch einmal etwas ruhen kann und restliche Schwebestoffe sich absetzen) von Kläranlagen empfohlen. Diese ist zumindest kritisch zu betrachten. Eine Anreicherung von Medikamentenrückständen (z.B. Antibiotika) oder Hormonen im Abwasser ist gegeben. Inwieweit sich diese Stoffe in Futtertieren anreichern, ist mir allerdings nicht bekannt. Ich habe früher gern und oft Futter (meist Wasserflöhe) aus einem solchen Klärbecken verfüttert, mache das aber heute nicht mehr. Auch wenn ich keine negativen Auswirkungen auf meine Fische feststellen konnte – aber das muss jeder für sich selbst entscheiden, da noch so wenig über den Verbleib mancher Substanzen bekannt ist.
Futter gefangen! Was nun?
Wenn man einen lohnenden Tümpel, Teich oder See gefunden hat, ist die Devise „weniger ist mehr“ zu beachten. Oft treten gerade Wasserflöhe zeitweise in großen Mengen auf. Leider sterben diese Tierchen bei Sauerstoffmangel im warmen Wasser des Eimers auch sehr schnell ab und sind somit für unsere Zwecke nicht mehr zu gebrauchen (und viel Spaß morgens im Fischzimmer, wenn solch ein Gammel-Eimer über Nacht dort drin steht). Daher sollte trotz gelegentlichen Überangebots nur soviel Futter gefangen werden, wie am gleichen Tag verfüttert werden kann, vielleicht gerade noch am nächsten Morgen. Cyclops halten meist etwas länger als Wasserflöhe, Mückenlarven wiederum länger als Cyclops. Die Eimer sollten möglichst kühl stehen, im Herbst bis Winter frostfrei in Garten/Balkon/Terrasse, sonst auch im Kühlschrank (der „Profi“ hat hierfür einen eigenen Kühlschrank). Tubifex (die ich leider bei mir nirgendwo fangen kann) bekommen nur soviel Wasser in den Eimer, dass der Wurmklumpen noch leicht aus dem Wasser herausschaut, dann halten sie bei täglichem Wasserwechsel sehr lange aus. Belüften des Lebendfutters nutzt meist nichts. Wasserflöhe bringt das meist recht schnell um, wenn die Luftbläschen zu fein sind. Weiße Mückenlarven, die ja räuberisch leben, werden von mir einige Stunden vor dem Verfüttern mit Artemia-Nauplien oder Pantoffeltierchen gefüttert, damit sie nährstoffreich sind. Man muss bedenken, dass Lebendfutter nach ein paar Tagen „leer“ und fast ohne Nährwert ist. Daher gilt: Je frischer das Futter aus dem Tümpel an die Fische verfüttert wird, desto besser und umso höher ist der Vitamin- und Nährstoffgehalt. So genannte „Tütenzombies“ aus dem Bau- und Zoomarkt bringen eigentlich nur etwas, wenn sie vor dem Verfüttern nochmal geboostert, also mit Nährstoffen angereichert werden. Das ist aber ein Thema für sich und soll hier nicht näher besprochen werden. Eine andere Möglichkeit, um ein Überangebot an Futter gut zu verwerten, ist das Einfrieren. Im Sommer friere ich gelegentlich Cyclops und Wasserflöhe ein. Diese gebe ich als „reine“ Ware, also gesiebt, mit nur wenig Wasser in verschließbare Gefrierbeutel (mit einem Schiebeverschluss) und streiche die Beutel glatt, so dass eine etwa 1 cm dicke Schicht entsteht. Diese Beutel lege ich in den Gefrierschrank (nicht ins Kühlfach, beim Gefrierschrank am besten die Gefrierautomatik benutzen) und kann nun je nach Bedarf verfüttern. Manche Aquarianer lehnen das Einfrieren von Tümpelfutter mit der Begründung ab, dass das Futter im normalen Gefrierfach nicht schnell genug gefriert. Kritisiert wird, dass die Zellen des Futters geschädigt werden und somit beim Wiederauftauen nur Matsch bleibt. Ich konnte das bisher nicht feststellen. Mein eingefrorenes Futter sieht nach dem Auftauen sehr frisch aus und wird von allen Fischen gut gefressen.
Krankheiten durch Lebendfutter?
Immer wieder wird vor dem Verfüttern von Lebendfutter gewarnt, da hierdurch Krankheiten ins Aquarium eingeschleppt werden könnten. Natürlich ist das möglich, geschieht jedoch nach meiner Erfahrung eher selten. Die positiven, gesundheitsfördernden Eigenschaften von Lebendfutter überwiegen ganz klar gegenüber den Gefahren durch eingeschleppte Krankheiten. In vielen Jahren, in denen ich nun Tümpelfutter verwende, ist es mir kaum untergekommen, dass meine Fische hierdurch Schaden genommen haben. Allerdings ist das von Gewässer zu Gewässer unterschiedlich. Dazu sollte man seine Fangstellen, die der Entnahme von Futter dienen, gut kennen und permanent kontrollieren oder auf die schon angesprochene Hilfe erfahrener Aquarianer vor Ort zurückgreifen. Ich verfüttere sogar Lebendfutter aus Karpfenteichen. Die größte Gefahr hierdurch war bei mir bisher das Einschleppen von Karpfenläusen. Gegen Ende des Sommers nimmt die Zahl der Karpfenläuse zu, so dass ich das Tümpeln in diesen Teichen einstelle. Besonders im Frühjahr sind meine ergiebigsten Quellen für Cyclops gerade diese Karpfenteiche. Aber die Krankheitsgefahr sicher auch der Intensität der Bewirtschaftung entsprechend unterschiedlich und muss individuell beurteilt werden. Gelegentlich holt man sich selbst aus fischfreien Teichen Hydra ins Aquarium, die jedoch einfach zu bekämpfen sind (ich verwende hierzu Flubenol, das auch meinen Garnelen nicht schadet, es ist verschreibungspflichtig und beim Tierarzt erhältlich.). Fischfutter sollte aus genannten Gründen natürlich nur aus sauberen Gewässern verfüttert werden. Wenn man einige grundlegende Anweisungen beim Fischfutterfang beachtet, ist Lebendfutter das Beste, um Aquarienfische natürlich zu ernähren, gesund zu erhalten und die Laichbereitschaft zu steigern (oder die Tiere überhaupt zum Ablaichen zu bringen). Außerdem ist es wohl für jeden Aquarianer und Naturfreund eine Freude, hinaus in die Natur zu gehen und im Wechsel der Jahreszeiten das Leben an und in unseren Teichen und Seen zu beobachten. Das bringt oft erst ein inniges Gefühl und Verstehen für lebende Systeme. Also, was machen Sie am nächsten Sonntag um 10 Uhr?
Quelle: Knut Bieler, Aquaristik Fachmagazin, Ausgabe 228