Unterschiedliche Paarungssysteme
Die Artenvielfalt der Schneckenbuntbarsche
Obwohl viele Schneckenbuntbarsche unscheinbar aussehen, sind sie empfehlenswerte Aquarienfische, weil sie interessante Verhaltensweisen zeigen und sehr unterschiedliche soziale Strukturen und Paarungssysteme aufweisen (Lein & Jordan 2021, Sefc 2011). Als Paarungssysteme werden die divergierende Art und Dauer des Zusammenlebens der Fortpflanzungspartner in einer Partnerschaft beschrieben. Dabei werden die drei Hauptformen Monogamie, Polygamie und Promiskuität unterschieden. Die Polygamie wird zusätzlich noch in Polyandrie und Polygynie unterteilt.

Polygamie und Polygynie
Am häufigsten ist bei Schneckenbuntbarschen die Polygamie, insbesondere in Form der Polygynie („Vielweiberei“), während Polyandrie („Vielmännerei“), d. h., ein Weibchen paart sich mit mehreren Männchen, die jeweils nur mit diesem einen Weibchen sexuellen Kontakt haben, nicht vorkommt.
Bei der Polygynie paart sich ein Männchen mit mehreren Weibchen, die nur mit diesem männlichen Fisch laichen. Es wird also ein Harem gebildet, in dem das revierbesitzende Männchen seine Weibchen beschützt und gegen konkurrierende männliche Artgenossen verteidigt. Ein Beispiel dafür ist Neolamprologus speciosus, eine Art, deren Männchen ca. 5 cm lang werden. Dasselbe Paarungssystem findet sich bei N. stappersi (Pellegrin, 1927), einer ähnlichen Art, für die N. meleagris (Büscher, 1991) als jüngeres Synonym gilt.




Neolamprologus callipterus (Boulenger, 1906)
Eine Abwandlung der Polygenie findet sich bei Neolamprologus callipterus (Taborsky 1994, Sato & Gashagaza 1997, Schütz & Taborsky 2000, Taborsky 2001). Äußerst ungewöhnlich ist der Größenunterschied zwischen den über 12 cm großen Männchen, die zwölfmal schwerer als die mit 4 cm ausgewachsenen weiblichen Fische sind, weshalb beide irrtümlich als verschiedene Arten beschrieben wurden.
Die Männchen tragen in ihren Territorien leere Schneckenhäuser zusammen, um sie in einer waschschüsselartigen Grube zu sammeln. Weibchen suchen nur zur Fortpflanzung diese Reviere auf und verlassen sie nach Beendigung der Brutpflege wieder ebenso wie die Jungtiere, um im oberen Felsenlitoral zu leben. Sobald die Männchen etwa 10 cm groß sind, bilden sie Schwärme, die gemeinsam auf der Nahrungssuche umherstreifen. Sobald sie die leeren Neothauma-Gehäuse transportieren können, werden sie territorial und bilden einen Harem.
Es gibt einen zweiten männlichen Genotyp, der als Zwergmorphe sogar kleiner als die Weibchen bleibt und als Sneaker bezeichnet wird, weil er sich zum Nachteil des Revierbesitzers als Fortpflanzungs- oder Paarungsparasit fortpflanzt, indem er vor den Weibchen in das Schneckenhaus schwimmt und sich dann an der Paarung beteiligt. Derartige Beispiele für Promiskuität, in denen sich sowohl Weibchen als auch Männchen mit mehreren Partnern paaren, werden auch als Polygynandrie bezeichnet.




Die Polygynandrie
Ein Bespiel für, dass Paarungssystem der Polygynandrie, ist auch Neolamprologus multifasciatus, ein fakultativer Schneckenbewohner, der mit einer maximalen Länge der Männchen von knapp 4 cm besonders klein ist. Die Art lebt in Großfamilien mit einer größenabhängigen Gruppenhierarchie, die kooperative Fortpflanzungsgruppen bilden. Sie entstehen dadurch, dass Jungfische als Brutpflegehelfer im Revier bleiben und die dominanten, fortpflanzungsaktiven Artgenossen bei der Aufzucht der Nachkommen unterstützen (Taborsky 1994, Taborsky & Limberger 1981).
Subdominante Fische zeigen gegenüber größeren Gruppenmitgliedern ein ritualisierte Beschwichtigungsverhalten, mit dem sie die Aggression dominierender Familienmitglieder hemmen. Neolamprologus similis ist eine ähnliche Schwesterart mit derselben Brutbiologie.


Feste Bindung
Bei den Schneckenbuntbarsche, die sich in Monogamie fortpflanzen, besteht zwischen dem Männchen und dem Weibchen eine feste Bindung, und beide beteiligen sich intensiv an der Brutpflege des Nachwuchses. Ein Beispiel dafür ist der kleine fakultative Schneckenbuntbarsch Neolamprologus signatus, der zum Laichen auch in den Gewässergrund gegrabene Höhlen benutzt.
Männchen tragen auf dem Körper und der Rückenflosse ein Streifenmuster, das Weibchen fehlt. Deren Bauchregion, die bei Streitigkeiten in Form einer Befriedungsgeste präsentiert wird, zeigt einen goldenen bis grünvioletten Metallglanz. Dieselbe Brutbiologie hat auch die Schwesterart N. laparogramma.
N. brevis, ein weitere monogamer, aber obligatorischer Schneckenbrüter, zeigt eine bemerkenswerte Besonderheit: Das etwa 4 cm große Weibchen und das größere Männchen dieser paarweise lebenden Spezies bewohnen nämlich dasselbe Schneckenhaus. Bei Gefahr verschwindet zuerst das Weibchen darin und erst dann schwimmt auch das Männchen hinein. Dieses Verhalten führte dazu, dass die Exporteure anfangs unbeabsichtigt ausschließlich männliche Fische verschickten, denn die Fänger vermuteten nicht, dass sich auch noch das Weibchen in demselben Schneckenhaus befindet und begnügten sich damit, nach dem Fang nur einen Fisch aus der Schnecke herauszuschütteln.


Kombination unterschiedlicher Paarungssysteme
Zahlreiche Schneckencichliden haben jedoch gar kein starr festgelegtes Paarungssystem. Ihr Fortpflanzungsverhalten ist den jeweiligen Umweltbedingungen angepasst und wird durch die Anzahl der zur Verfügung stehenden Fortpflanzungspartner, Schneckenhäuser oder das Nahrungsangebot beeinflusst.
Meist treten alternativ Monogamie oder Polygenie auf: N. ocellatus lebtim See meist paarweise, es besteht aber die Neigung zur Haremsbildung, weshalb sich im Revier eines Männchens auch mehrere weibliche Fische aufhalten können. Das 6 cm große Männchen schwimmt beim Laichen nicht in das Schneckenhaus hinein, sondern gibt die Spermien vor dem Eingang ab, die dann durch eine vom Weibchen durch Ventilationsbewegungen erzeugte Wasserströmung zum Gelege gelangen.
Dieselben Paarungssysteme gibt es beim obligatorischen Schneckenhausbrüter Neolamprologus boulengeri. Dessen Männchen werden sogar 7 cm groß und flüchten deshalb bei Gefahr in Gesteinsspalten.
