Die Prinzessin vom Tanganjikasee muss ihren Nachwuchs nicht alleine versorgen: Bei dieser Fischart, die zu den Buntbarschen gehört und ausschliesslich im afrikanischen Tanganjika-See vorkommt, unterstützen bis zu fünfundzwanzig Helfer das Elternpaar bei der Brutpflege. Sie fächeln den Eiern sauerstoffreiches Wasser zu, säubern das Gelege, verteidigen das Territorium gegen Fressfeinde und sorgen dafür, dass die Bruthöhle nicht von Sand zugeschüttet wird. Einige von ihnen pflanzen sich niemals selbst fort. Was die Tiere zu diesem Verhalten motiviert, haben Markus Zöttl und seine Kollegen von der Abteilung Verhaltensökologie des Berner Instituts für Ökologie und Evolution untersucht.
Nur wer zahlt, darf bleiben
Bruthelfer gibt es nicht nur bei den Buntbarschen, auch bei anderen Tieren verzichten manche Individuen ganz oder teilweise auf die eigene Fortpflanzung und helfen stattdessen anderen bei der Jungenaufzucht. Das Phänomen ist bei sozialen Insekten wie Bienen und Ameisen, bei Vögeln wie Schwanzmeisen und Bienenfressern, aber auch bei Säugetieren wie den Erdmännchen bekannt. Häufig finden Wissenschaftler eine Erklärung für dieses Verhalten in der so genannten Verwandtenselektion: Ist die eigene Fortpflanzung mit Risiken verbunden, zahlt es sich mitunter aus, stattdessen in die Kinder von nahen Verwandten zu investieren, mit denen man schliesslich auch Gene gemeinsam hat.
Doch wieso beteiligen sich auch nicht-verwandte Helfer an der Jungenaufzucht? Eine Hypothese, die als pay-to-stay (zahlen, um zu bleiben) bekannt ist, besagt, dass das Brutpaar von seinen Helfern diese Leistung einfordert um sie im Territorium zu dulden. Zöttl und seine Kollegen konnten dafür nun den ersten experimentellen Nachweis für ein Wirbeltier liefern.
Nicht-verwandte Helfer leisten mehr
Dazu liessen die Forscher die Fische im Labor brüten, jeweils ein dominantes Brutpaar und ein subdominantes Helferweibchen teilten sich ein Aquarium. In einem der Länge nach durchgeschnittenen, liegenden Tonblumentopf konnten die Weibchen ihre Eier ablegen, ausserdem gab es eine Röhre als Versteck. Das Helferweibchen hatte entweder keine verwandtschaftliche Beziehung zum Brutpaar, oder war als Tochter oder Schwester mit dem dominanten Weibchen zu fünfzig Prozent verwandt.
Nun testeten Zöttl und seine Kollegen, welche subdominanten Tiere sich stärker bei der Jungenaufzucht engagierten: Es waren die mit dem Brutpaar nicht-verwandten Helfer. Unsere Ergebnisse zeigen deutlich, dass Verwandtschaft auch für Kooperation unter Fischen ein wichtiger Faktor ist. Allerdings leisten bei der Prinzessin vom Tanganjikasee verwandte Tiere nicht mehr, sondern weniger Hilfe, sagt Zöttl, der nun an der Universität Cambridge forscht.
Daraus schliessen die Forscher, dass bei dieser Tierart nicht Verwandtenselektion, sondern ein anderer Mechanismus für das Gruppenleben verantwortlich ist: Die subdominanten Tiere müssen die Kosten ausgleichen, die dem Brutpaar durch ihre Anwesenheit entstehen. Die fremden Tiere nutzen Ressourcen, wie zum Beispiel Futter und legen bisweilen auch selbst Eier in der Bruthöhle ab. Nur wenn sie dafür eine Gegenleistung erbringen, werden sie im Territorium geduldet, wo sie eine wesentlich höhere Überlebenschance haben.
Ihre Mithilfe wird vom Elternpaar auch aggressiv eingefordert, wobei nicht verwandte Untermieter offensichtlich weniger zahlen müssen als verwandte, so Zöttl: Normalerweise führt Verwandtschaft dazu, dass mehr Hilfe geleistet wird. Unsere Ergebnisse zeigen allerdings, dass unter gewissen Umständen, nämlich dann, wenn Hilfe nicht freiwillig geleistet wird, sondern erzwungen werden muss, Verwandtschaft die Hilfeleistung verringern kann.
Wie einer Wohngemeinschaft
Mit ihrem Experiment haben die Forscher ein Phänomen im Tierreich nachgewiesen, dass in menschlichen Gesellschaften an der Tagesordnung steht: Ein Geschäft zwischen zwei Parteien mit gegenläufigen Interessen. Diese Fische betreiben offenbar einem simplen Tauschhandel mit verschiedenen Dienstleistungen: Die Brüter, die die Kontrolle über das Territorium haben, tolerieren die Anwesenheit der kleineren Tiere nur unter der Voraussetzung, dass diese sich an der Aufzucht der Jungen beteiligen. Wenn sie nicht genug Einsatz zeigen, droht ihnen der Rauswurf, sagt Zöttl. Es ist fast wie in einer Wohngemeinschaft unter Menschen: Wenn einem der kleine Bruder immer wieder den Kühlschrank leer isst, wird man es ihm vielleicht eher nachsehen, als wenn es sich um einen Fremden handelt. Putzt der fremde Mitbewohner dafür aber regelmässig die Wohnung, toleriert man sein Verhalten eher.
Quelle: Universität Bern