Bisher einmalig war sie, die Europameisterschaft für Poecilia-wingei-Zuchtformen im malerischen Pont-l’Évêque, in der französischen Normandie. Unter internationaler Beteiligung aus Deutschland, Frankreich und Italien sowie kritischer Beobachtung von dänischen, britischen und österreichischen Guppy-Hochzucht-Punktrichtern wurden die häufig auch als Endlers-Guppy bekannten Fische bewertet. Ausdrückliches Ziel des angewendeten Standards ist es, eine klare Grenze zwischen den Wildformen von Poecilia wingei sowie daraus selektierten Farbformen und Hybriden zu ziehen, um „die Wilden“ vor Vermischung und falsch verstandener Zuchtwahl zu bewahren.
Alle drei wissenschaftlich beschriebenen Wildformguppys ähneln einander derart, dass lediglich mittels DNA Analysen ausreichend Unterschiede herausgearbeitet werden können, um die Tiere zweifelsfrei einer der drei Arten zu zuordnen. Auch die Tiere selbst scheinen sich über ihre Artgrenzen mangels morphologischer, ökologischer oder topographischer Isolationsfaktoren hinweg zu setzen;
Ihre größte gemeinsame Ähnlichkeit mit der sie sich von den meisten anderen Fischen abgrenzen, besteht darin, dass keines der Männchen in einer natürlichen Population dem anderen 100%ig gleicht. Identische Tiere hingegen kommen nur in domestizierten bzw. selektierten Zuchtstämmen vor.
In der Natur wird die Population durch das Gleichgewicht zwischen der Partnerwahl der Weibchen, die sich mit möglichst unterschiedlich gefärbten Männchen paaren, und den Räubern, die bunte Farbtypen bevorzugen, bestimmt. Will man Wildformguppys aller drei Arten so erhalten oder züchten, dass sie den Fischen in den natürlichen Populationen entsprechen, stellt man fest, dass man diese Faktoren nicht wirklich unter einen Hut bzw. in einem Aquarium rekonstruieren kann. Schon der Fang von einer Gruppe von Tieren aus einer Population ist eine Selektion, wenn auch eine vielleicht unbewusste.
Wildform Guppyzucht ist insofern ein Paradoxon, weil sie eben nicht oder nur bedingt möglich erscheint. Hier muss noch einmal darauf hingewiesen werden, dass die in unseren Aquarien schwimmenden, auf Erbfestigkeit in Linienzucht gezüchteten Poecilia wingei, auch wenn sie ursprünglich einer Wildpopulation entstammen, selektierte Zuchtformen sind.
Resümierend muss also die Art und Weise von Wildguppyzucht überdacht werden. Zudem sollte den schon etablierten Farbzuchtformen von Poecilia wingei und deren Hybriden eine Plattform geboten werden, um sie von „echten“ Wildform-Wingeis (gleiches gilt auch für beide anderen Guppyarten) abzugrenzen und letztere somit vor Hybridisierung und falsch verstandener Zuchtwahl zu schützen.
Den vollständigen Artikel finden Sie im Aquaristik Fachmagazin 232
von Knut Bieler & Tobias Bernsee