Viele Wasser- und Sumpfpflanzen scheiden Stoffwechselprodukte aus, die auf andere Spezies wachstumshemmend wirken. Das ist oft der Grund für einen unbefriedigenden Pflanzenwuchs in Aquarien trotz ausreichender Düngung und guter Licht-, Wasser- und Bodenverhältnisse. Aquarianer können dem auf einfache Weise entgegenwirken.
Pflanzen verteidigen ihr Revier unauffällig
Jeder Aquarianer weiß, dass es Fische gibt, die ein eigenes Revier beanspruchen, das sie – für Beobachter gut erkennbar – vor unliebsamen Eindringlingen durch Drohgebärden oder Kämpfe verteidigen. Notfalls können sie auch die Flucht ergreifen. Pflanzen besitzen diese Möglichkeiten zur Sicherung ihres Lebensraums nicht. Sie sind an ihren Standort gebunden. Dennoch sind auch sie Konkurrenten und Schadorganismen nicht wehrlos ausgeliefert. Die von ihnen entwickelten Verteidigungsstrategien sind in der Konsequenz genauso wirkungsvoll wie die der Tiere. Für den Betrachter sind sie aber weniger augenfällig.
Allelopathie: Pflanzen verschaffen sich durch die Freisetzung sekundärer Pflanzenstoffe ökologische Vorteile
Viele Pflanzen scheiden spezielle Produkte des Sekundärstoffwechsels („sekundäre Pflanzenstoffe“) aus, die das Wachstum oder die Keimbildung von Nachbarpflanzen hemmen. Diese Form der biologischen Wechselwirkung nennt man Allelopathie. Attackiert werden nicht nur artfremde Pflanzen sondern oft auch Vertreter der eigenen Art. Wenn der Pflanzenwuchs in einem Aquarium nach einiger Zeit nachlässt, wenn bestimmte Arten dominieren, andere dagegen kümmern oder überhaupt nicht mehr gedeihen, kann also Allelopathie die Ursache sein. Der Begriff „Allelopathie“ (von: „allelon“ = „wechselseitig“, „pathos“ = „Leiden(schaft), oder das, was einem widerfährt“) wurde im Jahre 1937 von Hans MOLISCH, einem österreichischen Botaniker, eingeführt. Allelopathie im Sinne von MOLISCH umfasst allgemein den Einfluss einer Pflanze auf eine andere durch Ausscheidung von allelopathisch wirkenden Substanzen (Synonyme: Allelopathika, Allelochemicals, Allelochemikalien). Heute versteht man unter „Allelopathie“ nicht mehr nur die Wirkung sekundärer Pflanzenstoffe auf andere Pflanzen. Der Begriff wird in der aktuellen Literatur auch auf entsprechende Reaktionen zwischen Pflanzen und Mikroorganismen oder tierischen Fress feinden angewendet. Allelopathika wirken in hohen Konzentrationen phytotoxisch. Sie hemmen oder unterbinden also das Wachstum von Nachbarpflanzen. In subtoxischen Konzentrationen sind sie dagegen vielfach wachstumsstimulierend. Solche Dosis-Wirkungsbeziehungen mit Stimulation bei niedriger und Inhibition bei hoher Dosis sind aus der Toxikologie wohlbekannt und werden unter dem Begriff „Hormesis“ (von griechisch: „Anregung, Anstoß“) zusammengefasst. „Allein die Dosis macht das Gift“, schrieb sinngemäß schon PARACELSUS. Ein Beispiel für das hormetische Verhalten von allelopathisch aktiven Substanzen, die von Wasserpflanzen produziert werden, zeigt das Diagramm: Wässriger Vallisnerienextrakt hemmt das Wachstum von Wasserlinsen, Lemna sp., wenn er dem Kulturmedium in hohen Konzentrationen zugesetzt wird. Subtoxische Dosen wirken dagegen wachstumsstimulierend. Für die Herstellung des Extrakts wurden Blätter von Riesenvallisnerien in Aquarienwasser püriert. Die entstandene Suspension wurde filtriert. Das Filtrat wurde dem Kulturmedium [je 40 ml (Aquarienwasser + Extrakt)] in Mengen von 0, 0,2, 1, 5, 20, 40 ml zugefügt. Das Wachstum wurde durch Auszählen der Lemna-Blättchen (Fronds) nach 1, 18 und 25 Wachstumstagen quantifiziert. Eine ähnliche Reaktion zeigten Wasserlinsenkulturen auf die Zugabe von wässrigen Extrakten von Myriophyllum scabratum bzw. Echino – dorus sp. Die Ausscheidung phytotoxisch wirkender sekundärer Pflanzenstoffe verschafft den Donorpflanzen (von: donare = schenken) signifikante ökologische Vorteile: Sie sind dadurch in der Lage, beim Wettstreit um die begrenzt zur Verfügung stehenden natürlichen Ressourcen (Raum, Nährstoffe, Licht) konkurrierende Nachbarn auf Distanz zu halten.
Allelopathie in aquatischen Süsswasser-Lebensräumen
Zahlreiche Wasser- und Sumpfpflanzen, von denen viele auch in Aquarien und Gartenteichen zu finden sind, beeinflussen das Wachstum anderer Pflanzen, zeigen also ein allelopathisches Verhalten (GOPAL & GOEL 1993, HU & HONG 2008, MULDERIJ 2006). Allelopathische Aktivitäten wurden bei Pflanzen aus den Gattungen Acorus, Aldrovanda, Alternanthera, Azolla, Batrachium, Berula, Brasenia, Cabomba, Carex, Chara, Ceratophyllum, Cyperus, Echinodorus, Egeria, Eichhornia, Eleocharis, Elodea, Equisetum, Hydrilla, Hydrocharis, Hydrocotyle, Hygrorhiza, Juncus, Lemna, Limnobium, Limnophila, Ludwigia, Myriophyllum, Najas, Nelumbo, Nitella, Nuphar, Nymphaea, Nymphoides, Oenanthe, Peltandra, Phragmites, Pistia, Potamogeton, Polygonum, Pontederia, Proserpinaca, Rorippa, Sagittaria, Salvinia, Schoenoplectus, Sparganium, Spirodela, Stratiotes, Trapa, Typha, Vallisneria, Wolffia, Zizania nachgewiesen. Die meisten dieser Untersuchungen wurden unter Laborbedingungen durchgeführt, die mit der herkömmlichen Haltung von Wasser- und Sumpfpflanzen in Aquarien oder Gartenteichen nur wenig gemein haben: Aus experimentellen Gründen dienten vielfach Algen, Cyanobakterien (Blaualgen), Wasserlinsen oder gut zu handhabende Landpflanzen als Zielorganismen. Anstelle der nativen Donorpflanzen wurden häufig Pflanzenextrakte eingesetzt. Aus den gängigen wissenschaftlichen Publikationen über das allelopathische Verhalten von Wasser- und Sumpfpflanzen lassen sich daher kaum Vorhersagen über die Verträglichkeit oder Unverträglichkeit bestimmter Pflanzenkombination in einem Aquarium oder Gartenteich ableiten. Im konkreten Fall sind die produzierten Allelopathika immer nur dann biologisch wirksam, wenn sie von den Pflanzen in ausreichenden Mengen in die Umgebung freigesetzt werden, wenn sie lange genug auf die mit den Donorpflanzen vergesellschafteten Zielpflanzen einwirken können und wenn diese auf die ausgeschiedenen Substanzen empfindlich reagieren. Arten, die sich im Zuge ihrer Entwicklungsgeschichte wechselseitig aneinander anpassen konnten, behindern sich seltener als solche, die aus völlig unterschiedlichen Lebensräumen stammen. Schließlich spielen auch noch, wie später ausgeführt wird, die jeweiligen Haltungsbedingungen eine Rolle. Allelopathisch wirkende Stoffwechselprodukte werden nicht nur von hoch entwickelten Pflanzen freigesetzt. Algen und Cyanobakterien produzieren ebenfalls ein umfangreiches Spektrum sekundärer Pflanzenstoffe mit allelopathischer Wirksamkeit. Diese können das Wachstum anderer Algen und Bakterien aber auch das von höheren Pflanzen (Makrophyten) in unterschiedlichem Ausmaß beeinflussen. Umgekehrt können von Wasser- und Sumpfpflanzen produzierte Allelopathika das Wachstum von Algen und Cyanobakterien hemmen. Dabei hat sich gezeigt, dass Cyanobakterien und Kieselalgen auf makrophytische Allelopathika häufig empfindlicher reagieren als Grünalgen und dass das Wachstum von Algen mit planktischer Lebensweise meist stärker gehemmt wird als das von epiphytisch wachsenden Algen (Aufwuchsalgen). Solche Wechselwirkungen zwischen Algen und Makrophyten spielen bei der Entstehung und dem Verschwinden von Algenblüten in natürlichen Flachseen und stehenden Kleingewässern eine Rolle. Die Idee liegt daher nahe, allelopathische Reaktionen in künstlichen Teichen gezielt zur biologischen Algenbekämpfung einzusetzen. Untersuchungen dazu wurden in naturnahen Badeteichen durchgeführt mit dem Ziel, der Entstehung von Algenblüten und dem Massenwachstum von Cyanobakterien durch Ansiedlung allelopathisch aktiver Wasser- und Sumpfpflanzen entgegenzuwirken (GROSS 2007, FREI 2008). Als wirksam für diesen Zweck haben sich Spezies aus den Gattungen Myriophyllum, Ceratophyllum, Eleocharis, Elodea, Najas, Juncus, Typha, Stratiotes und bestimmte Characeen (Armleuchteralgen) erwiesen. – Von der Ansiedlung allelopathisch aktiver Pflanzen in Teichen zur Algenbekämpfung dürfen allerdings keine Wunder erwartet werden. Eine solche Bepflanzung kann aber neben anderen Maßnahmen einen unterstützenden Beitrag zur Algenbekämpfung leisten.
Wie „funktioniert“ Allelopathie?
Zahlreiche niedermolekulare Verbindungen aus dem umfangreichen Repertoire der sekundären Pflanzenstoffe, die sehr unterschiedlichen Stoffklassen angehören, wirken allelopathisch. Bei Wasserpflanzen, Algen und Cyanobakterien spielen oft phenolische Verbindungen eine Rolle. Die Wirkungsweise allelopathisch wirksamer Substanzen ist vielgestaltig: Einige Substanzen wirken als Photosynthesehemmer oder greifen in die Zellatmung ein. Andere inhibieren Enzyme, die für das Wachstum und die Mineralstoffaufnahme der Pflanzen und Algen von Bedeutung sind, oder schädigen wichtige Zellstrukturen. Wieder andere reagieren mit Pflanzenhormonen, beeinträchtigen also bei höheren Pflanzen die Wachstumssteuerung. Allelopathisch wirkende Sekundärstoffwechselprodukte können in aquatischer Umgebung aktiv in den Boden- grund oder in das Umgebungswasser ausgeschieden werden, bei höheren Pflanzen über Wurzeln, Blätter und Stängel. Nach Gewebsverletzungen oder bei der Verrottung abgestorbener Pflanzenteile können diese Substanzen auch passiv freigesetzt werden. Manchmal werden von den Pflanzen biologisch unwirksame Vorstufen der Allelopathika ausgeschieden. Die wirksamen Substanzen entstehen in diesen Fällen außerhalb der Donorpflanzen durch eine nachfolgende chemische Aktivierung, an der im Allgemeinen Mikroorganismen beteiligt sind.
Allelopathika werden durch chemische und mikrobielle Prozesse, die sowohl im Wasser als auch im Bodengrund ablaufen, im Laufe der Zeit ganz oder teilweise abgebaut. Ein Abbau kann auch auf photochemischem Wege durch Licht erfolgen. Andererseits werden die Hemmstoffe von den Pflanzen immer wieder nachgebildet. Es ist daher nur schwer vorhersehbar, ob und wann in einem Aquarium durch Akkumulation im Wasser oder im Boden Pflanzen schädigende Konzentrationen erreicht werden.
Allelopathische Wechselwirkungen werden durch die Lebensbedingungen der Pflanzen beeinflusst
Allelopathische Reaktionen unterstützen die Donorpflanzen (Makrophyten, Algen, Cyanobakterien) bei der Abwehr von Konkurrenten und Schadorganismen. Das hilft ihnen, sich auch unter ungünstigen Lebensbedingungen zu behaupten. Auf Stress (z.B. Nährstoffmangel, Schadstoffe, mechanische Verletzungen oder Angriffe von Fressfeinden) reagieren Pflanzen daher oft mit einer verstärkten Produktion von phytotoxisch wirkenden Substanzen. Die Zielorganismen reagieren unter solchen Bedingungen unterschiedlich: Manchmal nimmt unter Stress ihre Empfindlichkeit gegenüber den allelopathisch aktiven Verbindungen der Donorpflanzen zu. Im Einzelfall können sie aber auch durch Anpassung eine höhere Toleranz gegenüber bestimmten Allelopathika entwickeln. Allelopathische Wechselwirkungen sind außerordentlich komplexe Vorgänge. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die gegenseitige Wachstumsbeeinflussung derselben Pflanzenspezies durch Allelopathie in unterschiedlichen Aqua rien oder Gartenteichen eine große Variabilität zeigt. Kontroverse Beobachtungen von Aquarianern zur Verträglichkeit oder Unverträglichkeit bestimmter Wasserpflanzenkombinationen, z.B. von Vallisnerien und Cryptocorynen, lassen sich auf diese Weise zwanglos erklären.
Allelopathie oder Konkurrenz um die begrenzt verfügbaren Ressourcen?
Allelopathie ist nur eine der denkbaren Erklärungsmöglichkeit für beobachtete gegenseitige Wachstumsbeeinflussungen von Pflanzen. Die Zunft der Experten unterteilt sich daher in zwei Gruppen, in die der Allelopathie-Gläubigen und in die der Zweifler: Das Lager der Zweifler ist der Ansicht, dass Allelopathie weder in natürlichen Ökosystemen noch in Aquarien oder künstlichen Teichen eine große Rolle spielt. Gegenseitige Wachstumsstörungen von Pflanzen beruhen nach Ansicht dieser Gruppe meist auf Konkurrenz, also auf dem Wettkampf der Pflanzen um die begrenzt verfügbaren Ressourcen Raum, Licht und Nährstoffe. Das andere Lager vertritt demgegenüber mit guten Argumenten den Standpunkt, dass die ökologische Bedeutung der Allelopathie viel zu wenig beachtet wird. Tatsächlich laufen Konkurrenz und Allelopathie immer parallel ab. Welcher der beiden denkbaren Mechanismen in einem Aquarium dominiert, ist im konkreten Fall eine Frage der vorherrschenden Lebensbedingungen. Beruhen Wachstumsstörungen bei Wasser- und Sumpfpflanzen in einem Aquarien auf Konkurrenz, so hilft, einwandfreie Wasserverhältnisse vorausgesetzt, eine Verbesserung des Licht- und Nährstoffangebots und eventuell das Auslichten eines zu dichten Pflanzenbestandes. Ist Allelopathie der Grund, so müssen die phytotoxisch wirkenden Substanzen aus der Umgebung der Pflanzen entfernt werden.
Wie lässt sich allelopathisch bedingten Wachstumshemmungen in Aquarien entgegenwirken?
Viele der von Wasser- und Sumpfpflanzen ausgeschiedenen Allelopathika besitzen aufgrund ihrer chemischen Struktur eine hohe Affinität zu Adsorptionsmitteln. Sie lassen sich daher aus Aquarien durch Dauereinsatz von adsorbierenden Materialien entfernen (SCHMIDT 2009). Am bequemsten für Aquarianer ist der Einsatz von Aktivkohle, die auf herkömmliche Weise in üblichen Außen- oder Innenfiltern eingesetzt werden kann. Für ein gut bepflanztes 200-Liter- Aquarium hat sich der Einsatz von 600 g Aktivkohle in einem Außenfilter bewährt. (Eine höhere Dosis sollte nicht angewendet werden.) Nach Erschöpfung ihrer Adsorptionskapazität muss die Kohle ausgewechselt werden. Nach meinen Erfahrungen ist ein Wechsel des Adsorptionsmittels nach ½ bis 1 Jahr ausreichend. Wird Aktivkohle in Alt- Aquarien eingesetzt, in denen das Pflanzenwachstum durch Allelopathie bereits stark gestört ist, können bis zur Erholung der geschädigten Pflanzen Monate vergehen. Auf einem Foto zeige ich ein Alt-Aquarium (200 l) mit einem nach mehreren Jahren durch Allelopathie stark geschädigten Pflanzenbestand (Echinodorus sp., Vallisneria sp., Sagittaria sp., Anubias barteri). Nährstoffe und Licht waren in ausreichendem Maß vorhanden. Es wurden regelmäßig Teilwasserwechsel vorgenommen. Gedüngt wurde mit einem handelsüblichen Flüssigdünger nach den Empfehlungen des Herstellers. Als Bodengrund diente ein grober Aquarienkies. Das Foto daneben zeigt dasselbe Aquarium (ohne Nachbepflanzung) 1 ½ Jahre später. Durch Dauereinsatz von Aktivkohle in einem Außenfilter (3 g Aktivkohle/1 1 Aquarienwasser) wurden die wachstumshemmenden Substanzen aus dem Aquarium durch Adsorption entfernt. Die durch Allelopathie geschädigten Pflanzen haben sich vollständig erholt. Erste Anzeichen einer Erholung zeigten sich bereits innerhalb der ersten beiden Monate nach Beginn des Aktiv kohleeinsatzes. Die vollständige Regeneration des Pflanzenbestandes dauerte allerdings mehr als fünf Monate. Der Grund für die lange Regenerationszeit lässt sich leicht verstehen: Allelopathika können nämlich durch Aktivkohle, die sich in Innen- oder Außenfiltern befindet, nur dann adsorbiert werden, wenn sie im freien Wasser gelöst sind. Phytotoxine, die sich im Bodengrund angesammelt haben, kommen mit dem Filtermaterial nicht in direkten Kontakt. Sie müssen erst aus dem Bodenbereich in das freie Wasser übertreten. Das geschieht in Aquarien ohne Bodenfiltration haupt sächlich durch Diffusion. Solche Prozesse laufen sehr langsam ab. Die Entfernung der Allelopathika aus dem Bodenbereich dauert daher lange. In dem untersuchten Aquarium war die Konzentration der Hemmstoffe im Gesamtsystem offenbar erst nach mehr als fünf Monaten unter die phytotoxische Schwelle abgesunken. Wenn Aktivkohle dem gegenüber sofort nach der Neueinrichtung eines Aquariums eingesetzt wird, verhindert sie vorbeugend die Anreicherung allelopathisch aktiver Substanzen in phytotoxisch wirksamen Konzentrationen. Ein Beispiel dafür zeigt das Foto von zwei identisch eingerichteten und bepflanzten 5-Liter-Bechergläsern. Darin wurde das Wachstum der Pflanzen über die Dauer von einem Jahr beobachtet. Im rechten Becherglas wurde gleich nach dem Bepflanzen Aktivkohle eingestreut (3 g/l). Während der Versuchsdauer wurden keine Wasserwechsel durchgeführt. Lediglich das Verdunstungswasser wurde ersetzt. Im aktivkohlefreien Behältnis (links) zeigten die Wasserpflanzen nach einem Jahr durch die Ansammlung von phytotoxisch wirksamen Substanzen deutlich erkennbare Zerfallserscheinungen. Im Becherglas mit Aktivkohleeinstreu (rechts) traten solche Entwicklungsstörungen dagegen nicht auf. Durch das Adsorptionsmittel blieb die Konzentration der ausgeschiedenen Allelopathika offenbar unter der phytotoxisch wirksamen Schwelle. (Versuchsdetails: Der Kiesbodengrund wurde bei der Einrichtung der Bechergläser mit einem kommerziellen Wachstumssubstrat nach Vorschrift des Herstellers versetzt. Die Bechergläser wurden mit Leitungswasser gefüllt, dem einmalig ein Flüssigdünger in der empfohlenen Standarddosis zugesetzt wurde. Bepflanzung: 1 Anubias nana, 2 Sagittaria pusilla, 3 Vallisneria spiralis.)
Was beim Dauereinsatz von Aktivkohle in Aquarien zu beachten ist
In aquaristischen Publikationen und Firmenschriften wird häufig – ohne naturwissenschaftlich schlüssige Begründungen – vor dem Dauereinsatz von Aktivkohle in Aquarien gewarnt. Vom Autor wurden negative Einflüsse dieses Adsorptionsmittels auf die aquaristische Süßwasserflora und -fauna allerdings nicht beobachtet, solange die empfohlene Dosis (3 g Aktivkohle/1 l Aquarienwasser) nicht überschritten wurde (Meerwasser wurde nicht untersucht). Wichtig ist die Auswahl des Adsorbermaterials: Die eingesetzte Aktivkohle sollte die wasserchemischen Parameter des Ausgangswasser möglichst wenig verändern und darf auch keine bedenklichen Stoffe an das Aquarienwasser abgeben. Nicht alle Handelswaren erfüllen diese Kriterien, so dass der interessierte Aquarianer ein bisschen experimentieren muss. Bei Kontakt mit unvorbehandelter Aktivkohle kann sich der pH-Wert von elektrolythaltigem Wasser (Leitungswasser/ Aquarienwasser) durch Ionenaustauschvorgänge an der aktiven Oberfläche auf kritische Werte (pH > 9,5) erhöhen. (Der Mechanismus der pH-Änderung wird in der wissenschaftlichtechnischen Fachliteratur eingehend beschrieben.) Im Gegensatz zu Produkten für den Laboreinsatz zeigten die von mir untersuchten Adsorber-Kohlen aus dem Aquarienhandel (vier Markenprodukte) diesen höchst unerwünschten pH-Anstieg aber durchweg nicht. Zwei der Fabrikate führten sogar zur Absenkung des pH-Werts, was genauso wenig wünschenswert ist. Alle untersuchten Aktivkohlen geben messbare Elektrolytmengen an das Wasser ab. Bis auf eine Ausnahme war die Leitfähigkeitszunahme aber verhältnismäßig gering. Bei Anwendung von 3 g Aktivkohle/1 l Wasser nahm die elektrische Leitfähigkeit von demineralisiertem Wasser um 3 bis 15 μS/cm zu. Nur bei einer der aquaristischen Handelswaren lag die Leitfähigkeitserhöhung bedenklich hoch, bei über 60 μS/cm. In Leitungswasser (Ausgangswert ca. 500 μS/cm) nahm die Leitfähigkeit bei zwei Produkten um 10 bis 50 μS/cm ab, bei drei Produkten um 3 bis 30 μS/cm zu. In der aquaristischen Fachliteratur wird eine Leitfähigkeitsabnahme in elektrolythaltigem Wasser als positives Qualitätsmerkmal gewertet (SELLNER & RAMSCH 2000). Wann sollte Aktivkohle nicht eingesetzt werden? Aquarianer, die auf eine dem tropischen Schwarzwasser ähnlich sehende gelbbraune Wasserfarbe Wert legen, können Aktivkohle nicht einsetzen. Aktivkohle würde das Aquarienwasser entfärben. Auch bei der Anwendung wasserlöslicher Heilmittel zur Krankheitsbekämpfung muss auf Aktivkohlefilterung für die Zeit der Behandlung verzichtet werden. Literatur: www.tetra-verlag.de/Literaturlisten.htm
Quelle: Prof. Dr. Hartmut Schmidt, Aquaristik Fachmagazin, Ausgabe 230
TOLLER Artikel!!! Lehrreich, verständlich und vor Allem hochinteressant.
Wirklich wissenswerte Informationen, wenn man den eigenen Wasserpflanzen einen idealen Lebensraum erschaffen möchte.
http://water-gardens.de
Das lesen wir gern!
Das ist doch einmal eine Information mit Hand und Fuß, nicht solch ein Forums-Geschwafel. Schön wäre natürlich noch eine Tabelle mit Arten, die sich so gar nicht vertragen oder die sich besonders gut vertragen (im Text wird einmal die Unverträglichkeit von Vallisnerien und Cryptocorynen erwähnt). So bleibt dann wohl vorläufig nur der massive Einsatz von Aktivkohle als Empfehlung
Danke für die Anregung und dein Feedback!