Durchblick im Trüben des Elefantenrüsselfisches

Durchblick im Trüben des Elefantenrüsselfisches
Auge Elefantenrüsselfisch
Quelle: Presse Uni Bonn

Zoologen lösen das Rätsel des Elefantenrüsselfischauges. Mögliches Vorbild für Unterwasserkameras

Der Elefantenrüsselfisch (Gnathonemus petersii) kann sich in den trüben Gewässern des afrikanischen Regenwaldes so gut orientieren wie kaum ein anderes Lebewesen. Ein Team aus Zoologen, Physikern und Neurobiologen unter maßgeblicher Beteiligung von Forschern der Universität Bonn um Prof. Dr. Gerhard von der Emde hat nun das Auge des exotischen Lebewesens untersucht. In seine Netzhaut ist eine Art „Filter“ eingebaut, der selbst mit den wirbelnden Schwebteilchen im Wasser klarkommt und den Durchblick behält. Das Vorbild aus der Natur könnte künftig zum Beispiel für den Bau von Unterwasserkameras genutzt werden. Die Ergebnisse sind nun im renommierten Magazin „Science“ erschienen.

Die Redewendung „im Trüben fischen“ bedeutet so viel, wie unklare Verhältnisse zum eigenen Vorteil auszunutzen – angeblich weil früher Fischer den Schlamm aufwühlten, damit die Fische leichter ins Netz gingen. Perfekt in den trüben Gewässern afrikanischer Regenwälder kommt der Elefantenrüsselfisch (Gnathonemus petersii) zurecht. Er ist für sein stark verlängertes Kinn bekannt, das besonders empfänglich für schwache elektrische Felder ist, die er selbst aussendet. „Der Fisch kann damit dreidimensional elektrisch `sehen´“, berichtet Prof. Dr. Gerhard von der Emde von der Abteilung Neuroethologie/Sensorische Ökologie der Universität Bonn, der das exotische Lebewesen seit vielen Jahren erforscht. Mit seiner Elektro-Ortung durchkämmt der Elefantenrüsselfisch den Grund der Gewässer auf Beutesuche nach winzigen Würmern.

Das ungewöhnliche Auge blieb bislang unbeachtet

„Was bislang weitgehend unbeachtet blieb, ist das ungewöhnliche Auge des Elefantenrüsselfischs“, berichtet der Bonner Zoologe. „Es erinnert eher an das Auge eines Insekts als an das eines Wirbeltiers.“ Im Vergleich zu elektrischen Fischen aus Südamerika ist das Auge der in Afrika vorkommenden Spezies darüber hinaus auch auffällig groß. „Da sich in der Evolution nicht zufällig ein so aufwändiges Sinnesorgan ausbildet, lag nahe, dass es auch an ganz besondere Funktionen angepasst sein muss“, so Prof. von der Emde weiter. Ein Team interdisziplinärer Wissenschaftler der Universitäten Leipzig, Bielefeld, Tübingen, Cambridge und Bayreuth hat unter maßgeblicher Beteiligung der Bonner Zoologen deshalb das Auge des Elefantenrüsselfischs mit modernsten Methoden genau untersucht und das Rätsel um seine Funktion gelüftet.

Selbst schummerige Objekte werden erkannt

Da die Elektro-Ortung des Elefantenrüsselfischs nur auf kurze Distanzen bis maximal etwa zehn Zentimeter vor allem für den Beutefang funktioniert, braucht das Wasserwesen in seiner trüben und dämmrigen Umgebung ein weiteres Organ, um etwa blitzschnell vorstoßende Fressfeinde rechtzeitig zu erkennen. „Tests mit den Fischen zeigten, dass sie mit ihren Augen im trüben Wasser auch bei schlechten Lichtverhältnissen größere Objekte sehr gut erkennen, selbst wenn diese sich sehr schnell bewegen“, berichtet Prof. von der Emde. Für solche Experimente richteten die Bonner Zoologen die Elefantenrüsselfische darauf ab, ein großes, schwarzes Quadrat im Wasser zu erkennen. „Immer, wenn der Fisch darauf zu schwamm, gab es einen Wurm als Leckerbissen“, sagt der Wissenschaftler. Schritt für Schritt verringerten die Forscher die Farbtiefe des schwarzen Quadrats. „Es war ganz erstaunlich, bei welch schlechten Lichtverhältnissen der Fisch das Objekt noch erkennen konnte“, so der Zoologe.

Durch die geringe Auflösung stören Schwebstoffe kaum

Die Wissenschaftler führten die Tests auch mit Sonnenbarschen durch, die über ein herkömmliches Fischauge verfügen. „Wir wollten damit herausbekommen, ob das Auge des Elefantenrüsselfischs empfindlicher ist als das des Sonnenbarsches“, erläutert Prof. von der Emde. Dabei zeigte sich, dass die Augen der beiden Fische in etwa gleich empfindlich sind und dass der Elefantenrüsselfisch hinsichtlich der Auflösung sogar noch deutlich schlechter abschneidet. Aber in einer Hinsicht war der ans trübe Wasser angepasste Gefährte unschlagbar: „Er konnte im mit Schwebstoffen aufgewühlten Wasser größere Objekte viel besser erkennen als der Sonnenbarsch“, berichtet der Zoologe. „In diesem Fall wäre eine hohe Auflösung sogar störend, weil dann der Fisch vor lauter Trübstoffen den heranschießenden Feind nicht mehr sehen könnte.“

Becher als Spezialkonstruktion in der Netzhaut

Den Durchblick im Trüben hat der Elefantenrüsselfisch einer Spezialkonstruktion in seinen Augen zu verdanken. Seine Netzhaut besteht nicht wie bei anderen Fischen oder dem Menschen aus nebeneinander liegenden Stäbchen und Zapfen, sondern aus sechseckigen, becherartigen Strukturen. „Diese Becher sind verspiegelt und konzentrieren das Licht auf den Becherboden, wo die Zapfen angeordnet sind“, erläutert Prof. von der Emde. „Dadurch wird das aus dem trüben Wasser einfallende schwache Licht verstärkt.“ Geschützt vor dem verstärkten Licht liegen unter den Bechern die Stäbchen, die bei viel Licht auch beim Menschen nicht mehr funktionsfähig sind. Durch diese im Tierreich einzigartige Anordnung werden sie zusammen mit den Zapfen weiter angeregt und helfen dem Fisch bei der Objekterkennung. Durch das Zusammenschalten der Stäbchen und Zapfen sieht der Elefantenrüsselfisch zwar nur schwarz-weiß, behält aber den Durchblick.

Elefantenrüsselfisch sieht bis zu 50 Bilder pro Sekunde

Die besonderen Netzhautstrukturen sorgen auch dafür, dass der afrikanische Gewässerbewohner sehr schnelle Bewegungen wahrnehmen kann. Mit Elektroden in den visuellen Zentren des Gehirns wiesen die Bonner Forscher nach, dass er bis zu 50 Bilder pro Sekunde erkennt. Goldfische schaffen hingegen nur etwa 30 Bilder. „Das ist sehr wichtig, wenn besonders schnelle Feinde im trüben Wasser unterwegs sind“, sagt der Bonner Zoologe. Wegen seiner perfekten Anpassung an schlechte Sicht, könnte das Auge des Elefantenrüsselfischs als natürliches Vorbild für technische Entwicklungen dienen. „Unsere Ergebnisse könnten als Grundlage dienen, etwa Unterwasserkameras zu bauen, mit denen bei schlechten Sichtverhältnissen trotzdem größere Gegenstände zu erkennen sind“, sagt Prof. von der Emde. Dann könnte die Redewendung „im Trüben fischen“ eine völlig neue Bedeutung erlangen.

 

Publikation: Photonic Crystal Light Collectors in Fish Retina Improve Vision in Turbid Water, „Science“, DOI: 10.1126/science.1218072

 

Ein Podcast zum Thema steht unter: www.uni-bonn.tv/podcasts/20120628_BE_Elefantenruesselfisch.mp4/view

 

Kontakt:

Prof. Dr. Gerhard von der Emde

Zoologisches Institut

Abteilung Neuorethologie/Sensorische Ökologie

Tel. 0228/735555

vonderemde@uni-bonn.de

 

Quelle: http://www3.uni-bonn.de/Pressemitteilungen/176-2012

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