Raritäten & Neuimporte im Fokus 422

Raritäten & Neuimporte im Fokus 422

Lerne neue Arten kennen oder entdecke alte Arten neu: In der Aquaristik gibt es immer wieder Tierrarten zu erkunden. Viele sind wunderschön, unbekannt und nur selten im Handel zu finden. Mit Unterstützung der Zierfischgroßhändler aus der Fachgruppe des Zentralverbands Zoologischer Fachbetriebe (ZZF) stellen wir dir jede Woche vier Arten vor. Darunter findest du auch viele Nachzuchten und ihre verschiedene Zuchtformen.

Thayeria boehlkei
Der Schrägsteher oder – in Anlehnung an seinen Populärnamen im englischen Sprachraum – Pinguinsalmler (Thayeria boehlkei) ist eiserner Bestand in der Aquaristik. Seit 1935 erfreuen sich auf der ganzen Welt Menschen an diesem eleganten Tier, das etwa 6 cm Gesamtlänge erreichen kann. Die Art ist in der Natur sehr weit verbreitet und findet sich im oberen und mittleren Einzug des Amazonas in Peru, Ekuador, Bolivien und Brasilien. Wildfänge der sehr produktiven Art werden allerdings praktisch nie gehandelt, nur Nachzuchten. Mit seiner schrägen Schwimmweise und der kontrastreichen schwarz-weißen Färbung ist T. boehlkei sowohl für sich selbst genommen ein Hingucker als auch eine perfekte Ergänzung zu anderen, bunteren Salmlern. Die friedliche Art ist wie die meisten Kleinsalmler in Gruppen zu pflegen und nimmt jedes gängige Zierfischfutter passender Größe willig an. Die Wasserwerte sind zur Pflege unbedeutend, die Wassertemperatur sollte im Regelfall zwischen 22 und 28°C liegen. Man sagt dem Schrägsteher eine gewisse Empfindlichkeit gegen erhöhte Nitratwerte nach; der regelmäßige Teilwasserwechsel, der erhöhte Nitratwerte sicher verhindert, gehört allerdings heutzutage so sehr zur guten Alltagspraxis in der Aquarienkunde, dass dieses Narrativ nur noch von historischem Interesse ist.

Ptychochromis oligacanthus

Von den auf Madagaskar endemischen Buntbarschen ist Ptychochromis oligacanthus dem Namen nach auch aquaristisch recht gut bekannt. Allerdings hat sich die Auffassung darüber, was unter dieser Art verstehen ist, erst vor wenigen Jahren (2006) gründlich verändert. Zuvor glaubte man, die Art sei weit verbreitet und teile sich in vier farblich unterschiedliche Rassen auf. Heute hält man diese Rassen für eigenständige Arten. Der eigentliche Ptychochromis oligacanthus ist nach aktueller Auffassung auf den Nordwesten der Insel und die vorgelagerte kleine insel Nosy Be beschränkt. Als Arterkennungsmerkmal bei erwachsenen Fischen dient der isolierte schwarze Fleck auf der oberen Hälfte des Kiemendeckels, den es bei keiner anderen Ptychochromis-Art gibt. Ähnlich ist diesbezüglich nur der erst 2015 beschriebene Ptychochromis mainty, bei dem allerdings der Fleck mit einem über den Körper verlaufenden Längsband verbunden ist. Wie so viele Tierarten Madagaskars muss leider auch Ptychochromis oligacanthus als gefährdet (Rote Liste der IUCN: Endangered) angesehen werden, da die relativ zahlreichen Populationen untereinander in keinem generischen Austausch stehen und darum lokal durch wirtschaftliche Nutzung, Besatz mit Fremdfischen, Umweltereignisse usw. sehr schnell aussterben können. Der Fang für die Aquaristik hat keinerlei Einfluss auf die natürlichen Bestände, alle im Hobby befindlichen Exemplare sind ohnehin Nachzuchttiere. Die Fotos zeigen kleine Jungfische (ca. 3 cm) von Ptychochromis oligacanthus bei Aquarium Glaser als deutsche Nachzucht. Die Elterntiere (Photo vom Züchter) werden 15-20 cm groß. P. oligacanthus ist ein robuster Fisch von nicht zu unterschätzendem Aggressionspotential. Darum pflegt man ihn unbedingt in großen, gut strukturierten Aquarien in eine Gruppe, aus der heraus sich Paare finden können. Als Gesellschaftsfische eignen sich ausschließlich Arten, die hart im Nehmen sind, wie z.B. diverse Welse.

Enneacampus ansorgii

Die wunderhübsche Enneacampus ansorgii ist eine kleine (8 – 12 cm) Süßwasser-Nadel und zugleich die Art, die am häufigsten für das Hobby zur Verfügung steht, zumal sie von kommerziellen Züchtern vermehrt wird. Die bodengebunden lebende Nadel gehört zu den kurzschnäuzigen Vertretern der Familie. Sie ist in Westafrika zuhause und wird gelegentlich auch als Wildfang aus Nigeria angeboten. Die Jungtiere lassen sich gleich nach der Entlassung aus der väterlichen Bruttasche mit Artemia-Nauplien anfüttern. Bezüglich der Fütterung sind alle Nadeln sehr anspruchsvolle Tiere, deren Pflege ohne zuverlässige Lebendfutterquelle nicht empfohlen werden kann. Während größere Arten sehr gerne lebende rote und weiße Mückenlarven fressen, sind diese Futtertiere für die kurzschnäuzige E. ansorgii nicht gut geeignet. Ihr gibt man am besten kleine Krebstierchen (Cyclops, Wasserflöhe etc.), auch frisch geschlüpfte Artemia-Nauplien eignen sich sehr gut. Wenn man häufig Artemia füttert, sollte man etwas Salz ins Wasser geben (ca. 1 Esslöffel auf 10 Liter Wasser), das vertragen die Nadeln sehr gut und die Artemia bleiben länger am Leben.


Neue Gattungsnamen bei früheren Puntius

Bis zu 120 Arten asiatischer Kleinbarben ordnete man früher der Gattung Puntius zu. Es war schon jahrzehntelang klar, dass Puntius keine in sich geschlossen Verwandtschaftsgruppe darstellt, sondern einen Sammeltopf für unterschiedlichste Kleinbarbengruppen. Darum bevorzugten viele sogar die Einordnung der asiatischen Kleinbarben bei Barbus, ebenso falsch, aber dadurch sollte vermieden werden, dass bei Neuentdeckungen bereits früher beschriebene Arten übersehen werden. Eine Revision der Puntius scheiterte immer an den Masse der Arten, zumal die Alpha-Systematik innerhalb der Gruppe nur unbefriedigend verstanden ist. Unter Alpha-Systematik versteht man die Kenntnis über die tatsächlich existierenden Arten. Doch dann fasste man sich ein Herz (genauer gesagt: es waren Pethiyagoda et al, 2012) und fing einfach an. Es gab dann zwar einiges Hin und Her, einige neu geschaffene Gattungen mussten wieder umbenannt werden, andere wurden weiter unterteilt, aber inzwischen kommt man ganz gut klar und kennt die neue Gattungsnamen Dawkinsia, Desmopuntius, Haludaria, Oliotius, Pethia, Puntigrus, Sahyadria und Striuntius. Etwas im Corona-Geschehen untergegangen ist die Aufstellung der neuen Gattung Waikhomia durch Katwate et al. 2020. Diese neue Gattung umfasst nur zwei südindische Arten, nämlich W. sayadriensis und W. hira. Beide Arten sehen sich sehr ähnlich. W. hira unterscheidet sich von der aquaristisch besser bekannte W. sahyadriensis durch die Anordnung und Ausprägung der Flecken auf den Flanken. Bei W. sahyadriensis sind diese hochoval und es gibt auch Fleckem im Rückenbereich, bei W. hira beschränken sich die relativ kleinen, runden Flecken auf eine Art Band entlang der Körpermitte. Nun erschien eine molekularbiologische Bearbeitung der Gruppe von Sudasinghe et al., 2023. Hier werden drei weitere Gattungen für Kleinbarben von Sri Lanka und aus Südindien aufgestellt, nämlich Rohanella (Typusart Puntius titteya), Plesiopuntius (Typusart Gnathopogon bimaculatus) und Bhava (Typusart Puntius vittatus). Alle drei Gattungen sind vorerst monotypisch, d.h. ihnen ist nur jeweils eine Art zugeordnet. Aquaristisch am bedeutsamsten ist Rohanella titteya, die Bitterlingsbarbe. Es ist interessant, dass die molekularen Daten keine Unterschiede der verschiedenen bekannten Populationen dieser Art zeigen, obwohl sie sich farblich recht deutlich unterscheiden. Die Zweifleckbarbe, Plesiopuntius bimaculatus, ist sehr aus der Mode gekommen. In den 1950er und 1960er Jahten war sie ein beliebter Aquarienfisch. Es gibt die Art nicht nur auf Sri Lanka, sondern auch auf dem indischen Festland. Es konnten molekular mehrere unterschiedliche Linien identifiziert werden, was jedoch (noch) nicht in der Aufspaltung der Art resultierte. Die Streifenbarbe, Bhava vittata, war zeitgleich mit der Zweifleckbarbe ein beliebter Aquarienfisch, heutzutage findet man sie, wenn überhaupt, nur in den Becken spezieller Barbenliebhaber. Die Art kommt auf Sri Lanka und im südlichen Indien weit verbreitet vor, verschleppt findet man sie auch in Bengalen. Die kleine Allerweltsbarbe kommt opportunistisch in zahlreichen Gewässertypen vor. Literatur Katwate, U., P. Kumkar, R. Raghavan and N. Dahanukar (2020): Taxonomy and systematics of the ‘Maharaja Barbs’ (Teleostei: Cyprinidae), with the description of a new genus and species from the Western Ghats, India. Zootaxa 4803 (no. 3): 544-560. Pethiyagoda, R., M. Meegaskumbura and K. Maduwage (2012): A synopsis of the South Asian fishes referred to Puntius (Pisces: Cyprinidae). Ichthyological Exploration of Freshwaters v. 23 (no. 1): 69-95. Sudasinghe, H. Rüber, L. & M. Meegaskumbura (2023): Molecular phylogeny and systematics of the South Asian freshwater-fish genus Puntius (Teleostei: Cyprinidae). Zoologica Scripta (online): 1-17

Quelle: Frank Schäfer – Aquarium Glaser GmbH

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