Europäische Landschildkröten wie die Griechische Landschildkröte (Testudo hermanni), die Maurische Landschildkröte (T. graeca) oder die größer werdende Breitrandschildkröte (T. marginata) zählen zu den beliebtesten Heimtieren aus der Gruppe der Reptilien. Aufgrund ihrer Lebenserwartung von bis zu 70 Jahren übernehmen Halter eine besondere Verantwortung für ihre gepanzerten Pfleglinge. Damit Tier und Mensch gemeinsam alt werden können, sind für eine tiergerechte Haltung einige Dinge zu beachten.
Alle Europäischen Landschildkröten sind geschützt – Nachweise erforderlich!
Wer mit dem Gedanken spielt, sich eine Schildkröte nach Hause zu holen, sollte berücksichtigen, dass Anschaffung und Haltung mit Gesetzen und Vorschriften verbunden sind – denn Europäische Landschildkröten sind in Europa im Anhang A der EU-Verordnung 2019/2117 der Änderung der Verordnung (EG) Nr. 338/97 aufgeführt und somit streng geschützt. Dies bedeutet für Halter, dass sie den rechtmäßigen Erwerb dieser Tiere bei der zuständigen Behörde (etwa der Unteren Naturschutzbehörde) anzeigen und mittels einer EU-Vermarktungsgenehmigung nachweisen müssen. Wird beim Erwerb der Landschildkröten die Übergabe der entsprechenden Genehmigung verweigert, sollte vom Kauf des Tieres Abstand genommen werden.
Weiterhin schreibt das Artenschutzrecht eine regelmäßige, individuelle Kennzeichnung der Tiere in Form einer Fotodokumentation vor. So muss bei Jungtieren mindestens einmal im Jahr ein Foto der Ober- und Unterseite des Tieres auf schwarz-weißem „Schachbrett-Papier“ mit Maßstab gemacht werden, inkl. Gewichtsangabe der Schildkröte. Haben die Tiere ein Gewicht von 500 Gramm erreicht, können sie von einem Tierarzt mit einem Artenschutz-Transponder gekennzeichnet werden.
Mediterranes Flair im Garten – ideale Haltungsbedingungen für Europäische Landschildkröten
Da Europäische Landschildkröten relativ groß werden – artabhängig erreichen die Tiere eine Panzerlänge von 20 – 40 Zentimetern – ist für die tiergerechte Haltung der Panzertiere ein großzügiges Freigehege notwendig. Da Landschildkröten deutlich agiler sind als oftmals angenommen, sollte das Gehege 4 bis 8 Quadratmeter für zwei erwachsene Tiere nicht unterschreiten und nach allen Seiten gegen ein Untergraben ebenso geschützt sein wie gegen ein Überklettern. Bei kleinen Arten oder Jungtieren ist das Anbringen eines Netzes über dem Gehege ratsam, damit mögliche Fressfeinde wie Ratten, Marder, Katzen oder Vögel nicht eindringen können.
Da Europäische Landschildkröten wie alle Reptilien wechselwarm sind, benötigen sie ein Temperaturgefälle, das ihnen erlaubt, ihre optimale Körpertemperatur zu erreichen und zu regulieren. Daher ist sowohl das Vorhandensein von Sonnen- wie auch Schattenplätzen im Freigehege essenziell.
Für die Übergangszeit im Frühjahr und Herbst oder für Perioden mit schlechtem Wetter ist ein trockenes Gewächshaus oder Frühbeet, welches optimalerweise durchlässig für UV-Licht ist und eine Wärmelampe aufweist, notwendig. Die Temperatur am Boden sollte tagsüber zwischen 26 und 28° Celsius liegen – mit lokalen Plätzen im Gehege von 40° Celsius bei Sonnenschein. Nachts kann die Temperatur auf circa 17 bis 20° Celsius abfallen.
Damit sich die Tiere wohlfühlen, sollte das Gehege gut strukturiert und abwechslungsreich gestaltet sein: Ungiftige Büsche und Sträucher wie winterharte mediterrane Pflanzen (z. B. Rosmarin oder Salbei) bieten nicht nur Rückzugsmöglichkeiten, sondern spenden auch Schatten. Unterschiedliche wasserdurchlässige Bodengründe aus Sand, Muttererde oder auch kleinerem Geröll und Steinen schaffen weiterhin eine abwechslungsreiche Umgebung, und ermöglichen das stellenweise Errichten von kleinen Hügeln zum Sonnen – nach Süden ausgerichtet – oder Höhlen für die Abkühlung. Eine größere flache Wasserschale komplettiert die Grundausstattung des Geheges.
Karge Kost – ein Muss für Europäische Landschildkröten
Die Heimat der Europäischen Landschildkröten erblüht im Frühjahr zumeist äußerst prächtig und farbenfroh. Im weiteren Jahresverlauf trocknen die Habitate der Landschildkröten aber schnell aus und weisen nur noch eine sehr karge Vegetation auf. Auf diesen jahreszeitlichen Wechsel des Nahrungsangebots haben sich Europäische Landschildkröten im Laufe der Evolution bestens angepasst. Eine zu reichhaltige Ernährung kann bei ihnen daher zu Gesundheitsschäden führen. Eine rohfaserreiche pflanzliche Ernährung bestehend aus frischen oder getrockneten Wildkräutern (z. B. Ackerwinde, Brombeerblätter, Breit- und Spitzwegerich, Löwenzahn, Malve, Mauerpfeffer, Disteln, Taubnessel oder Wicke; Wildkräuter sollten nicht in der Nähe von Straßen oder bewirtschafteten Feldern gesammelt werden), hochwertigem Heu sowie in geringen Mengen Gemüse und Salat (geraspelte Möhren oder Zucchini, Endivien-, Rucola- oder Romanasalat) ist für Europäische Landschildkröten ideal. Auch spezielle Landschildkröten-Pellets können verfüttert werden. Ein paar Sepiaschalen zur Versorgung mit Mineralstoffen runden das Menü ab. Verzichten sollte man unter anderem auf die Gabe von Obst und Katzenfutter, da eine zu zucker- oder eiweißreiche Ernährung bei den Tieren schwere Erkrankungen verursachen kann.
Zur natürlichen Darmflora von Europäischen Landschildkröten gehören häufig auch Salmonellen, die für die Schildkröten selbst harmlos sind, aber beim Menschen – vor allem bei Kindern, Senioren und Menschen mit geschädigtem Immunsystem – zu Erkrankungen führen können. Durch die Einhaltung einfacher Hygieneregeln wie dem gründlichen Händewaschen nach Kontakt mit den Tieren oder dem Reinigen von Futter- und Wassernapf kann eine Ansteckung jedoch sehr einfach und zuverlässig vermieden werden.
Männchen oder Weibchen – wie kann man die Geschlechter unterscheiden?
Am einfachsten lassen sich die Geschlechter an der Schwanzform und -größe unterscheiden: Männchen weisen meist einen längeren und dickeren Schwanz auf als Weibchen. Zudem ist die Öffnung der Kloake – eine gemeinsame Ausführungsöffnung von Verdauungs- und Geschlechtsapparat – der Männchen weiter nach hinten verlagert als die der Weibchen. Auch ist der Bauchpanzer der Männchen leicht nach innen gewölbt.
Im Gegensatz zu vielen anderen Heimtieren zeigen Schildkröten kein ausgeprägtes Sozialverhalten. Schildkröten können am besten einzeln, in Harems mit einem Männchen oder in gleichgeschlechtlichen Gruppen gepflegt werden. Während der Paarungszeit ist zu beachten, dass die Männchen die Weibchen durch allzu aktives Paarungsverhalten und Nachlaufen nicht zu sehr stressen – notfalls sind die Männchen zu separieren.
Und was macht eine Europäische Landschildkröte im Winter – Winterruhe!
Zu einer artgerechten Haltung gehört die Winterruhe für Europäische Landschildkröten zwingend dazu. Kranke Tiere sollten allerdings nicht überwintert werden, Schlüpflinge hingegen schon.
Die Schildkröten stellen im Herbst nach und nach die Nahrungsaufnahme ein – frisches Trinkwasser in einer großen flachen Schale muss dennoch ständig vorhanden sein. Die eigentliche Überwinterung kann dann im Kühlschrank, in einem kühlen Kellerraum oder ggf. auch im Freiland durchgeführt werden. Die Überwinterung im Kühlschrank bzw. Keller sollte drei bis vier Monate dauern bei Temperaturen zwischen 4 und 6 °C und einer Luftfeuchtigkeit von 80 Prozent. Hierzu überführt man die Schildkröten beispielsweise in ausreichend große Behältnisse, die mit feuchtem, aber keinesfalls nassem Humus oder Buchenlaub gefüllt sind, worin sich die Schildkröte eingraben kann. Während der Überwinterung müssen Temperatur und Luftfeuchtigkeit regelmäßig überprüft und aufrechterhalten werden. Die Fachliteratur oder ein reptilienkundiger Tierarzt können hierzu entsprechend beraten. Einige Tierärzte und Spezialisten bieten auch einen Überwinterungsservice an.
Hat man sich vor dem Erwerb von Europäischen Landschildkröten verantwortungsvoll informiert und sichergestellt, dass die tiergerechte Unterbringung und Pflege gewährleistet werden kann, so ist ein wichtiger Schritt getan. Wenn Interessenten von Europäischen Landschildkröten abschließend noch bewusst ist, dass sie ein „Wildtier“ bei sich aufnehmen möchten, dass nicht hochgehoben und herumgetragen werden möchte, steht dem Einzug der neuen Mitbewohner nichts mehr im Wege.
Was macht der IVH?
Der Verband hat die Aufgabe, die gemeinsamen Interessen des Industriezweiges Heimtierbedarf auf wirtschaftlichem Gebiet zu wahren und zu fördern sowie die Mitgliedsunternehmen in allen fachlichen Fragen zu beraten und zu unterstützen.
Als Industrieverband wahren und fördern wir die gemeinsamen Interessen der Heimtierbedarfsindustrie insbesondere durch die
- Förderung der Heimtierhaltung,
- Mitwirkung an der Gestaltung geeigneter rechtlicher und gesellschaftspolitischer Rahmenbedingungen sowie
- Information und Beratung der Mitglieder zu branchenrelevanten Sachverhalten