Faszination Aquaristik: Die spannende Welt der Schneckenbuntbarsche im Tanganjikasee

Faszination Aquaristik: Die spannende Welt der Schneckenbuntbarsche im Tanganjikasee
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Im Laufe der Geschichte der Aquaristik gab es immer wieder faszinierende Entdeckungen, die das Verständnis der ökologischen Nischen und Verhaltensweisen von Fischen erweiterten. Einer dieser außergewöhnlichen Fälle ist die Geschichte der Schneckenbuntbarsche im Tanganjikasee. Dieser Beitrag nimmt Sie mit auf eine Reise durch die spannende Entdeckungsgeschichte dieser kleinen, spezialisierten Fische und zeigt auf, wie ihre einzigartige Lebensweise in Schneckenhäusern nicht nur die wissenschaftliche Forschung sondern auch die Aquaristik nachhaltig beeinflusst hat. Tauchen Sie ein in die faszinierende Welt dieser ökologischen Nischenbewohner und erfahren Sie, warum sie bis heute eine besondere Rolle in der Aquaristik spielen.

Wie ein defekter Bootsmotor zur Entdeckung der Schneckenbuntbarsche führte

Im Jahr 1979 hatte eine Gruppe von Fischfängern, die in Tansania an der Südostküste des Tanganjikasees für den Exporteur Misha Fainzilber nach Buntbarschen suchten, das Pech, dass ihr Bootsmotor einen Defekt hatte. Bei der Reparatur fiel ihnen ein Werkzeug ins Wasser. Als sie danach tauchten, bemerkten sie über dem sandigen Gewässergrund kleine Cichliden, die vor ihnen in die dort zahlreichen leeren Häuser einer großen Wasserschnecke flohen. Diese Anekdote über die Entdeckung der so genannten Schneckenbuntbarsche erzählte mir später Fainzilber, der noch Ende desselben Jahres Neolamprologus ocellatus und Neolamprologus brevis erstmals nach Deutschland exportierte.

Neolamprologus ocellatus wurde bereits 1979 erstmals nach Deutschland für den Zoofachhandel verschickte. Foto: Dr. Wolfgang Staeck
Neolamprologus ocellatus wurde bereits 1979 erstmals nach Deutschland für den Zoofachhandel verschickte. Foto: Dr. Wolfgang Staeck

Dass es im Tanganjikasee Buntbarsche mit einer engen Bindung an Schneckenhäuser gibt, ist aber in der Ichthyologie bereits seit über 60 Jahren bekannt, denn die Entdeckung, dass mehrere im Tanganjikasee lebende besonders kleine Buntbarsche, unter anderem Neolamprologus multifasciatus, N. hecqui und N. brevis, fast immer nur dort gefangen werden, wo es über sandigem oder schlammigem Gewässergrund zahlreiche leere Molluskenhäuser gibt, gehörte bereits zu den Ergebnissen der in den Jahren 1952 bis 1954 durchgeführten belgischen Hydrobiologischen Expedition (Poll 1956). Eine kuriose Geschichte ist, dass die wissenschaftliche Erstbeschreibung des Schneckenbuntbarsches N. brevis auf einem einzigen Exemplar beruht, das „im Maul eines großen Welses der Art Auchenoglanis scutatus gefunden wurde,“ wie Boulenger beschreibt (1899: p. 115. Meine Übersetzung aus dem Französischen).

Da diese Cichliden in der Aquaristik auf großes Interesse stießen, haben sich Fischfänger, aber auch Aquarianer, die privat zum See gereist sind, bemüht, immer neue Arten zu finden und nach Europa einzuführen. In den gut 40 Jahren, die seit ihrer Entdeckung vergangen sind, haben sich diese Fische in der Aquaristik einen festen Stammplatz erobert. Anfang der 90er Jahre ist man auch in der Wissenschaft auf sie aufmerksam geworden und hat sie insbesondere unter verhaltensbiologischen und ökologischen Fragestellungen in zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen untersucht (zuerst u. a. Sato, 1994; Walter & Trillmich, 1994).

Neolamprologus brevis wird immer nur dort gefangen werden, wo es über sandigem oder schlammigem Gewässergrund zahlreiche leere Molluskenhäuser gibt. Foto: Dr. Wolfgang Staeck

Schneckenbuntbarsche

Die Bezeichnung Schneckenbuntbarsche hat sich für eine Reihe von lamprologinen Cichliden eingebürgert, die zwar aus verschiedenen Gattungen stammen, aber alle eine fast identische ökologische Nische besitzen: Es handelt sich um sehr kleine Fische, die meist um die fünf Zentimeter lang sind, über sandigem oder schlammigem Gewässergrund leben und in diesem Lebensraum ohne Versteckmöglichkeiten nur überleben, weil sie Schutz vor ihren Fressfeinden in leeren Schneckenhäusern finden, die sie zusätzlich auch als Bruthöhlen nutzen.

In der Natur gibt es für die Schneckenbuntbarsche keinen Mangel an Wohnraum. Foto: Dr. Wolfgang Staeck

Viele zeigen anatomische und morphologische Anpassungen an das Leben in leeren Schneckenhäusern: Ihr Körper ist oft gestaucht und in seiner Länge durch eine Verringerung der Wirbelkörper verkürzt. Die ungewöhnlich kurzen ersten Bauchflossenstrahlen ermöglicht ihnen ein Abstützen, wenn sie in der Ruhestellung auf dem Gewässergrund liegen.

Der Körper von Schneckencichliden (hier N. stappersi) ist oft gestaucht und durch eine Verringerung der Wirbelkörper verkürzt. Foto: Dr. Wolfgang Staeck
Der Körper von Schneckencichliden (hier N. stappersi) ist oft gestaucht und durch eine Verringerung der Wirbelkörper verkürzt. Foto: Dr. Wolfgang Staeck

Beinahe alle Schneckenbuntbarsche sind aus dem Tanganjikasee beschrieben worden, da sich die Kalkgehäuse dort infolge des stark alkalischen pH-Wertes und der Härte seines Wassers nicht auflösen, sondern Jahrhunderte überdauern können. Die von den Fischen bewohnten Molluskenhäuser stammen von mehreren verschiedenen Schneckenarten, insbesondere von den beiden sich geringfügig in ihrer Größe unterscheidenden Formen von Neothauma tanganyicense, den größten und im See häufigsten Mollusken. Deren Häuser sind mit einer Höhe von knapp 5 Zentimeter und einer gut 20 mm weiten Öffnung in etwa so groß wie die von Weinbergschnecken, die als Ersatz für die Originalgehäuse geeignet, allerding dünnwandiger sind und im Aquarium schneller zerfallen. Weniger bekannt ist, dass die erheblich kleineren Gehäuse von Lavigeria– und Paramelania-Arten von den Schneckenbuntbarschen ebenfalls genutzt werden.

In diesem Beitrag wird die faszinierende Geschichte der Schneckenbuntbarsche im Tanganjikasee erzählt, ihre speziellen ökologischen Anpassungen und die Bedeutung ihrer Lebensweise in Schneckenhäusern. Zudem erfahren Sie, wie diese kleinen Fische in der Wissenschaft und Aquaristik eine wichtige Rolle spielen und warum sie zu den interessantesten Bewohnern des afrikanischen Sees gehören.

Die Geschichte der Schneckenbuntbarsche zeigt eindrucksvoll, wie unerwartete Entdeckungen die wissenschaftliche Erkenntnis bereichern und neue Perspektiven in der Aquaristik eröffnen können. Ihre spezialisierte Lebensweise in Schneckenhäusern macht sie zu faszinierenden Beispielen ökologischer Anpassung und Evolution. Für Aquarianer bieten diese kleinen Fische nicht nur ein spannendes Beobachtungsfeld, sondern auch einen Einblick in die vielseitige Welt der Tropenfische. Einblicke in ihre Natur und Lebensweise sind essenziell, um diese einzigartigen Arten auch im Aquarium erfolgreich zu pflegen und zu schützen.

Boulenger, G. A. (1899): Poissons nouveaux du Congo. 5me partie Ann. Mus. Congo Zool. 1 (1) 4, 97-128.

Poll, M. (1956): Résult. scientif. Explor. hydrobiol. belge du lac Tanganika (1946-1947). Poissons Cichlidae, vol. 3, fasc. 5 B: 619 pp. 

Sato, T. (1994): Active accumulation of spawning substrate: a determinant of extreme polygeny in shell-brooding cichlid fish. Anim. Behav. 48: 669-678.

Walter, B. & F. Trillmich (1994): Female aggression and male peace-keeping in a cichlid fish harem: conflict between and within the sexes in Lamprologus ocellatus. Behav. Ecol. Sociobiol. 34: 105-112.

Über das Magazin: Aquaristik

Aquaristik – Das Magazin für erfolgreiche Süßwasser-Aquarianer
Das Aquaristik Magazin ist das führende Fachmagazin für Liebhaber der Aquaristik. Es begleitet Hobbyisten von den ersten Schritten bis hin zu professionell gestalteten Aquarien. Mit liebevoll gestalteten und gut bebilderten Beiträgen, praxisnahen Tipps und fundiertem Fachwissen ist es sowohl für Einsteiger als auch für Profis geeignet.

Was bietet das Magazin?

  • Ausgezeichnete, didaktische Berichte und brillante Fotos von namhaften Autoren
  • Erstaunliche Fachartikel zu Zierfischen, Reptilien, Pflanzen, Meerwasser, Terraristik, Teichkultur und mehr
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  • Jedes Heft widmet sich einem speziellen Titelthema, das in mehreren Beiträgen vertieft wird
  • Erscheinungsweise: 6-mal jährlich

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Weitere Infos:
Mehr zur Zeitschrift und abonnieren finden Sie hier: Aquaristik-Magazin Übersicht

Über den Dähne Verlag

Der Dähne Verlag wurde im Jahr 1970 von Karl-Heinz Dähne gegründet und wird heute in zweiter Generation von Marc Dähne geführt. Das Familienunternehmen gliedert sich in zwei Bereiche: Als Branchenfachverlag versorgt es die Baumarkt- und Gartencenter-Branche sowie den Zoofachhandel mit Fachinformationen. Für das Hobby Aquaristik veröffentlicht der Verlag erfolgreiche Hobby-Magazine, Fachzeitschriften und ein umfangreiches Buchprogramm.

Verlagsangebot im Überblick:

  • Rund ein Dutzend Fach- und Publikumszeitschriften
  • Internet-Portale und Online-News-Dienste
  • Umfassende Statistiken, Studien und Handelsdaten
  • Eine große Auswahl an Büchern (über 90 Titel) zu Aquaristik, Garten, Teich- und Terraristik
  • Weitere Publikationen wie Einkaufsführer, Adressverzeichnisse und mehr

Der Verlag ist führend in der Veröffentlichung hochwertiger Fach- und Hobbyliteratur und unterstützt den Austausch und die Weiterbildung in der Aquaristik-Community.

Mehr erfahren: Webseite des Dähne Verlags

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Dr. Wolfgang Staeck

Dr. Wolfgang Staeck ist ein hoch angesehener deutscher Ichthyologe, der für seine umfangreiche Forschung an Buntbarschen, insbesondere aus Afrika und Südamerika, bekannt ist. Sein wissenschaftlicher Werdegang begann mit einem Biologiestudium an der Freien Universität Berlin. Nach seinem Abschluss war er als Forschungsassistent und Dozent an der Technischen Universität Berlin tätig.

Im Laufe von über fünf Jahrzehnten hat Dr. Staeck mehr als 140 Publikationen veröffentlicht und sich damit als führender Experte in der Ichthyologie etabliert. Zu seinen bedeutendsten Werken zählen das umfassende Handbuch „Kleine Buntbarsche – Amerikanische Cichliden I“ sowie „Buntbarsche aus Ostafrika“, in denen er die Vielfalt und Ökologie dieser Fische detailliert beschreibt. Zudem schrieb er „Salmler aus Südamerika“, ein Werk über südamerikanische Charakinen, und „Piranhas“, das die Naturgeschichte und Pflege dieser ikonischen Fische behandelt.

Seine wissenschaftlichen Arbeiten führten zur Beschreibung neuer Buntbarsch-Arten wie Geophagus gottwaldi und Geophagus parnaibae, wodurch er maßgeblich zur Taxonomie der Familie Cichlidae beiträgt. Dr. Staecks Fachwissen wurde durch Einladungen zu wissenschaftlichen Expeditionen gewürdigt, darunter die Forschungsreisen des JBL-Teams nach Venezuela im Jahr 2016, Kolumbien im Jahr 2022 sowie die geplante Expedition nach Peru im Jahr 2025.

Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit ist Dr. Staeck ein aktives Mitglied der Aquaristik-Community. Er teilt sein umfangreiches Wissen durch Interviews, Publikationen und Vorträge, um das Verständnis und den Schutz der Cichliden weltweit zu fördern.

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