Wie ein defekter Bootsmotor zur Entdeckung der Schneckenbuntbarsche führte
Im Jahr 1979 hatte eine Gruppe von Fischfängern, die in Tansania an der Südostküste des Tanganjikasees für den Exporteur Misha Fainzilber nach Buntbarschen suchten, das Pech, dass ihr Bootsmotor einen Defekt hatte. Bei der Reparatur fiel ihnen ein Werkzeug ins Wasser. Als sie danach tauchten, bemerkten sie über dem sandigen Gewässergrund kleine Cichliden, die vor ihnen in die dort zahlreichen leeren Häuser einer großen Wasserschnecke flohen. Diese Anekdote über die Entdeckung der so genannten Schneckenbuntbarsche erzählte mir später Fainzilber, der noch Ende desselben Jahres Neolamprologus ocellatus und Neolamprologus brevis erstmals nach Deutschland exportierte.

Dass es im Tanganjikasee Buntbarsche mit einer engen Bindung an Schneckenhäuser gibt, ist aber in der Ichthyologie bereits seit über 60 Jahren bekannt, denn die Entdeckung, dass mehrere im Tanganjikasee lebende besonders kleine Buntbarsche, unter anderem Neolamprologus multifasciatus, N. hecqui und N. brevis, fast immer nur dort gefangen werden, wo es über sandigem oder schlammigem Gewässergrund zahlreiche leere Molluskenhäuser gibt, gehörte bereits zu den Ergebnissen der in den Jahren 1952 bis 1954 durchgeführten belgischen Hydrobiologischen Expedition (Poll 1956). Eine kuriose Geschichte ist, dass die wissenschaftliche Erstbeschreibung des Schneckenbuntbarsches N. brevis auf einem einzigen Exemplar beruht, das „im Maul eines großen Welses der Art Auchenoglanis scutatus gefunden wurde,“ wie Boulenger beschreibt (1899: p. 115. Meine Übersetzung aus dem Französischen).


Da diese Cichliden in der Aquaristik auf großes Interesse stießen, haben sich Fischfänger, aber auch Aquarianer, die privat zum See gereist sind, bemüht, immer neue Arten zu finden und nach Europa einzuführen. In den gut 40 Jahren, die seit ihrer Entdeckung vergangen sind, haben sich diese Fische in der Aquaristik einen festen Stammplatz erobert. Anfang der 90er Jahre ist man auch in der Wissenschaft auf sie aufmerksam geworden und hat sie insbesondere unter verhaltensbiologischen und ökologischen Fragestellungen in zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen untersucht (zuerst u. a. Sato, 1994; Walter & Trillmich, 1994).

Schneckenbuntbarsche
Die Bezeichnung Schneckenbuntbarsche hat sich für eine Reihe von lamprologinen Cichliden eingebürgert, die zwar aus verschiedenen Gattungen stammen, aber alle eine fast identische ökologische Nische besitzen: Es handelt sich um sehr kleine Fische, die meist um die fünf Zentimeter lang sind, über sandigem oder schlammigem Gewässergrund leben und in diesem Lebensraum ohne Versteckmöglichkeiten nur überleben, weil sie Schutz vor ihren Fressfeinden in leeren Schneckenhäusern finden, die sie zusätzlich auch als Bruthöhlen nutzen.

Viele zeigen anatomische und morphologische Anpassungen an das Leben in leeren Schneckenhäusern: Ihr Körper ist oft gestaucht und in seiner Länge durch eine Verringerung der Wirbelkörper verkürzt. Die ungewöhnlich kurzen ersten Bauchflossenstrahlen ermöglicht ihnen ein Abstützen, wenn sie in der Ruhestellung auf dem Gewässergrund liegen.

Beinahe alle Schneckenbuntbarsche sind aus dem Tanganjikasee beschrieben worden, da sich die Kalkgehäuse dort infolge des stark alkalischen pH-Wertes und der Härte seines Wassers nicht auflösen, sondern Jahrhunderte überdauern können. Die von den Fischen bewohnten Molluskenhäuser stammen von mehreren verschiedenen Schneckenarten, insbesondere von den beiden sich geringfügig in ihrer Größe unterscheidenden Formen von Neothauma tanganyicense, den größten und im See häufigsten Mollusken. Deren Häuser sind mit einer Höhe von knapp 5 Zentimeter und einer gut 20 mm weiten Öffnung in etwa so groß wie die von Weinbergschnecken, die als Ersatz für die Originalgehäuse geeignet, allerding dünnwandiger sind und im Aquarium schneller zerfallen. Weniger bekannt ist, dass die erheblich kleineren Gehäuse von Lavigeria– und Paramelania-Arten von den Schneckenbuntbarschen ebenfalls genutzt werden.


