Im Jahr 2009 hatte ich zum ersten Mal die Gelegenheit, die Gegenden von Belur und Halebid im südindischen Bundesstaat Karnataka zu bereisen und auch ichthyologisch ein wenig zu untersuchen. In diesem Gebiet gibt es zum einen fantastische Tempel mit unglaublichen Steinmetzarbeiten, zum anderen aber auch sehr viele kleine Tümpel und Teiche. Diese sind oft dicht mit Pflanzen bewachsen. In der Monsunzeit schwellen sie zu großen flachen Seen an; in der Trockenzeit bleiben meist nur sehr flache und kleine Wasserlöcher bestehen – ein extremes Habitat für Fische und andere wasserlebende Tiere. Die Gegend ist meist landwirtschaftlich geprägt und die meisten dieser Gewässer befinden sich in der Kulturlandschaft. Ich denke, dass diese Tümpel und Teiche oft auch vom Pestizideinsatz betroffen sind. Aus diesen Gründen habe ich eigentlich keine aufregenden Funde erwartet. Zu meinem Glück sollte ich mich jedoch täuschen. Ich möchte hier über einen kleinen Teich berichten, den ich im Verlauf von drei Jahren in den verschiedenen Jahreszeiten mehrfach be- und untersucht habe. Dieses kleine stehende Gewässer befindet sich in der Umgebung von Belur auf einer leichten Anhöhe in einer Felsformation aus Granit. Es handelt sich um ein permanentes, also nicht ausvon Benjamin Harink trocknendes Gewässer…
In der Trockenzeit ist es ca. 20 m2 groß, in der Regenzeit etwa 30 m2. Die tiefste Stelle beträgt ca. 80 cm; der Großteil des Teichs ist jedoch nicht tiefer als 30 cm. In der Trockenzeit beträgt die Wassertemperatur tagsüber über 30, im Monsun nur ca 20°C. Der Teich hat drei sehr kleine Nebenteiche, die aus Wasseransammlungen in Felsspalten bestehen. Diese sind ca. 1 m tief bei einer Fläche von ca. 2 bis 5 m2. Der Teich wurde von Indischen Spornfußfröschen, Euphlyctis cyanophlyctis, Süsswasserkrabben, unzähligen Wasserinsekten, beispielsweise Libellenlarven und Wasserwanzen sowie Wasserskorpionen bewohnt. Fische sieht man bei einer oberflächlichen Betrachtung zuerst einmal nicht. Der Teich ist dicht mit Sumpf- und Wasserpflanzen bewachsen. Die Uferpflanzen bilden schier undurchdringliche Wurzelgeflechte, die locker auf dem fast glatten Steinuntergrund aufliegen. Mein Fangwerkzeug bestand aus einem ca. 30 cm großen Handnetz. Damit hob ich Pflanzenbüschel heraus und hoffte, auf diese Weise auch einige Fische zu erbeuten. Trotz widriger Bedingungen konnte ich so Exemplare von Puntius vitattus fangen. Diese aquaristisch bekannte Art ist gut geeignet für relativ kleine Aquarien. Sie ist leicht zu pflegen wegen ihrer enormen Anpassungsfähigkeit, bevorzugt aber dicht bepflanzte Aquarien. Temperaturschwankungen tragen zu ihrem Wohlbefinden bei. Die Fische haben eine schöne orangefarbene Rückenflosse und sind sehr ruhige Beckenbewohner mit einem interessanten innerartlichen Verhalten. Die nächsten Fische, die nach weiteren Fischzügen im Netz zappelten, waren Puntius bimaculatus. Diese ruhige Art frisst keine Pflanzen und eignet sich gut für dicht bepflanzte Aquarien. Da sie jedoch etwas scheu ist, sollte man dieser Barbe viele Verstecke anbieten. Zur Paarungszeit färben sich die Männchen leuchtend rot. Ich kenne einige Populationen, bei denen diese Farbe auch dauerhaft auftritt. Sie fühlen sich in großen Gruppen sichtlich wohl. Ich konnte sie sowohl in langsam fließenden Bächen fangen als auch in kleinen Tümpeln. Lebend- und Flockenfutter wird gut angenommen. Allerdings ist diese Art nicht sehr durchsetzungsfähig.
In der Nähe des Ufers konnte ich vereinzelt Exemplare von Lepidocephalichtys thermalis fangen. Diese Art ähnelt unserem einheimischen Schlammpeizger. Die Tiere sind friedlich und anspruchslos, konnten sich im Aquarium gegenüber anderen Schmerlenarten jedoch nicht behaupten. Aus diesem Grund empfehle ich, die Tiere Artaquarium zu pflegen. Sie nehmen jede Art von Trockenfutter an. Auf den ersten Blick erscheinen sie zwar etwas unscheinbar, machen das aber mit einem interessanten innerartlichen Verhalten und ihrer Anspruchslosigkeit wieder wett. Diese Art ist in Südindien weit verbreitet; ich fand sie in fast allen Habitaten. In Bächen leben sie oft in den schlammigen und flachen Uferbereichen. In stehenden Gewässern der Kulturlandschaft sind sie gewöhnlich die einzige Schmerlenart. Ich fing auch eine klein bleibende Barbenart, die nicht größer als 2 cm erreicht. Sie wurde anfänglich von den meisten Aquarianern als Puntius ticto abgetan. Dagegen sprachen jedoch die geringe Größe und die Punktierung. Puntius pokodensis sieht ähnlich aus, kommt allerdings in dieser Gegend nicht vor. Das wirklich besondere an dieser Art wurde mir jedoch erst durch ihre Pflege im Aquarium bewusst. Die Männchen färben sich leuchtend rot und ähneln stark Puntius manipurensis. Diese Barbenart kommt jedoch nur in Nordostindien vor. Dank Nikhil SOOD gingen einige Exemplare an Marcus KNIGHT, einen Spezialisten für Barben. Dieser bestätigte meine Annahme, dass es sich um eine neue Art handelt. Meines Wissens arbeitet er gerade an einer Beschreibung. Ich hoffe wirklich, dass diese seltene Art (ich fing insgesamt nur etwa zehn Exemplare in mehr als zwei Jahren) ihren Weg in die Hände von Züchtern findet. Sie wäre eine wirklich interessante Bereicherung gerade für die Nano-Aquaristik. Im Aquarium hielt sich die Barbe bei mir in weichem, leicht saurem Wasser sehr gut. Allerdings war sie ohne ausreichende Deckung sehr scheu. Nach einiger Zeit änderte ich meine Fangstrategie; ich überwand meine Vorbehalte gegenüber tropischen Krankheiten in stehenden Gewässern und ging in den Teich. Ich bewegte
das Netz nun sehr schnell über den Steinboden und rammte es in die Uferpflanzen. Für diese netzzerstörende und anstrengende Methode wurde ich jedoch königlich entlohnt. Nachdem ich die Pflanzen aus dem Netz entfernt hatte, zappelte ein kleines Exemplar von Channa gachua im Netz. Nun war mein Fangeifer wieder geweckt und ich fing mit dieser Methode einige Individuen mehr, unter anderem ein relativ großes Tier (ca. 15cm). Die Channa gachua aus diesem Teich zeichnen sich durch eine fantastische Rot- und Blaufärbung aus. Die Rotfärbung hält sich auch bei gestressten Fischen sehr gut. Die interessantesten Zeichnungselemente sind sicher die neon-orangen Pünktchen auf der Kehle. Diese werden von allen adulten Tieren dieser Population ausgebildet. Jungtiere sind oft mit vielen kleinen schwarzen Pünktchen übersäht. Die Pflege im Aquarium gestaltete sich einfach – wie bei anderen Channa-Arten wurde jedes Futter gefressen. Ein Problem stellt allerdings die extreme Aggressivität dieser Art dar. Man kann ihr begegnen, indem man das Aquarium extrem dicht bepflanzt und mit vielen Versteckplätzen, vor allem auch in Oberflächennähe, einrichtet. Als Luftatmer benötigen Channa freien Zugang zur Wasseroberfläche. Wird dieser vom dominierenden Tier für alle anderen unterdrückt, kann es zu Ausfällen kommen. Das Aquarium muss für diese Art gut abgedeckt sein, ansonsten endet es mit Trockenfisch vor dem Aquarium. In dem von mir untersuchten Teich standen die Channa als größter Räuber am Ende der Nahrungskette. In einem Jahr konnte ich in diesem Teich eine Population von Oreochromis niloticus beobachten, die wahrscheinlich als Speisefische eingesetzt wurden. Zum Glück konnte ich nach der heißen und trockenen Jahreszeit diese Art nicht mehr finden. Anscheinend hatten sie die hohen Temperaturen mit dem verbundenen Sauerstoffmangel nicht überlebt. Channa gachua kommt in diesem Teich in extrem hoher Dichte vor, pro Quadratmeter schätze ich mehr als zehn Exemplare. Der Großteil dieser Fische misst jedoch weniger als 5 cm. Interessant ist auch, dass sie zwar das gesamte Jahr über zu brüten scheinen, jedoch verstärkt in der heißen und trockenen
Jahreszeit. Dann sind die anderen Fischarten oft unterernährt, die Channa gachua meist jedoch wohlgenährt. Ich vermute, dass sie aufgrund der geringeren Wassermenge und ihrer Fähigkeit, Luftsauerstoff zu atmen, mehr Beute machen können: Je weniger Wasser im Teich, umso mehr Tiere auf kleinerer Fläche. Die Barbenarten hingegen laichen zu Beginn der Regenzeit ab. Im Aquarium kann man das leicht nachstellen: Man wechselt für einige Wochen nicht das Wasser und erhöht die Temperatur. Dann führt man einen großen Wasserwechsel mit kühlem Wasser (ca. 20 Grad und etwas kühler) durch. Et voila, die Männchen erscheinen in strahlenden Farben und fangen sehr bald zu balzen an. Interessant ist, dass ich die rot gepunkteten Channa gachua nur in diesem einen Teich Channa gachua aus eigener Aufzucht Die Süßwasserkrabben klettern im Pflanzendickicht Portrait von Lepidocephalichthys thermalis aus einem der Teiche nachweisen konnte. In größeren Teichen in der näheren Umgebung sehen die Channa gachua ganz anders aus. Es bedeutet jedoch auch, dass diese Farbform als extrem bedroht anzusehen ist. Eine kleine Änderung, und diese Art ist verschwunden. Ich möchte noch am Rande anmerken, dass die ich die ersten Channa gachua als Trockenfische gefunden habe. Sie lagen zwischen den Felsen in einigen Metern Entfernung. Ich vermute, dass sie versucht haben, ein neues Habitat zu finden, nicht schnell genug das Wasser erreichen konnten und stattdessen verendeten. Was habe ich aus diesen Beobachtungen gelernt? Nun, ich werde mir demnächst wieder ein indisches Becken einrichten. Dieses werde ich für kleine Barben extrem dicht bepflanzen und mein indisches Teichhabitat als Vorlage nehmen. Ich habe außerdem verstanden, wie fragil manche Habitate sind, und dass es nicht nur Abholzung von Wäldern ist, die Tierarten gefährdet, sondern auch kleine Änderungen, etwa der Besatz mit einer anderen Fischart oder ein Ausbleiben des Monsuns. Oh, und natürlich auch das: Es ist beinahe unfassbar, wie belastbar manche Arten sind und mit welchen wechselnden Umweltbedingungen sie problemlos auskommen. Rasbora sp., die Rasbora microcephalus ähnelt