Nachbericht: Heimtiermesse Hannover 2013 aus Sicht von Aquascaper Jurijs Jutjajevs

Nachbericht: Heimtiermesse Hannover 2013 aus Sicht von Aquascaper Jurijs Jutjajevs

Mit diesem Bericht aus dem Aquaristik Fachmagazin von Jurijs Jutjajevs möchten wir mit euch ein wenig in Erinnerungen an die vergange Heimtiermesse in Hannover schwelgen. Jurijs berichtet von seinen Erlebnissen der Messe und dem Einrichtungswettbewerb “The Art of The Planted Aquarium”:

Komplett gestaltetes Aquarium auf dem Eheim-Stand der Messe mit Hemianthus callitrichoides 'Cuba' auf dem „Pyramidengipfel“ und Pogostemon helferi im Vordergrund
Komplett gestaltetes Aquarium auf dem Eheim-Stand der Messe mit Hemianthus callitrichoides ‘Cuba’
auf dem „Pyramidengipfel“ und Pogostemon helferi im Vordergrund

Sicherlich kennen Sie das: Man nimmt sich etwas vor, und dann kommt es ganz anders. So auch in diesem Fall. Statt die Messe zu genießen, weniger zu arbeiten und mehr zu fotografieren, bin ich in Hannover mit Arbeit überschüttet worden. Auf dem Eheim-Stand musste ein Schauaquarium eingerichtet werden, das sich von den nebenan im Rahmen des Wettbewerbes ausgestellten Aquarien abheben sollte. Keine leichte Aufgabe, wenn man bedenkt, dass hier die besten Aquascaper Deutschlands antreten werden. Die Entscheidung fiel auf ein Layout, das ich zum ersten Mal auf der vorjährigen Interzoo verwendet hatte. Damals benutzte ich Steine, die sonst aquaristisch kaum brauchbar sind, und das Ergebnis war überraschend. Nun also noch einmal dieses bewährte Prinzip.

Für den Aufbau benötigt man Styropor, da sonst der massive Steinaufbau nicht halten würde. Aus mehreren Styropor Platten baut man eine Art Pyramide und spart dabei den für das „Incpiria-Aquarium“ von Eheim typischen Schacht aus. Der Ansaugkorb vom Filter kann mit einem dem Filter beiliegenden 16/22-Schlauch angehoben werden, damit dieser nicht unter dem Berg aus Styropor, Kies, Soil und Steinen verschwindet. Auf die Styropor Pyramide werden die größten Steine positioniert, von hinten beginnend und nach vorn kleiner werdend. Danach folgt etwas Kies, den man zwischen die Steine füllt, um die großen Lücken zu stopfen und das darauf folgende Soil vorm Abrutschen zu sichern, denn es wird steil. Für den Aufbau wurden 200 kg „Minilandschaft“ mitgebracht und fast vollständig verbaut. Die Bepflanzung ist relativ einfach – ca. 70 Töpfe

Geschäftigkeit und Trubel während der Aufbauphase
Geschäftigkeit und Trubel während der Aufbauphase

Hemianthus callitrichoides ‘Cuba’, kurz „HC“ genannt, und 10 Töpfe Pogostemon helferi aus der Gärtnerei von Tropica. Nachdem ich das Aquarium trocken eingerichtet und vorsichtig gefüllt habe, nahm ich in dem vor dem Aquarium stehendem Sofa Platz und war mir sicher, dass dieser Berg im Aquarium noch für Aufsehen sorgen wird. Eine kurze Pause wäre schön gewesen, wenn es nicht noch mehr Arbeit gegeben hätte, und so verbrachte ich den Rest des Tages damit, befreundeten Ausstellern dabei zu helfen, ihre Stände aufzubauen. Zum Schluss des Abends musste auch bei den Becken für den Nano-Wettkampf noch Hand angelegt werden. So vergingen die zwei Aufbautage, die – wie so häufig – mitunter am lustigsten sind. Leider bekommen die Messebesucher von dem Chaos und den Improvisationskünsten nichts mit, doch wer weiß, vielleicht ist es auch besser so.

Am Freitagvormittag – während auf einigen Ständen noch der letzte Staub weggewischt wurde – fing die Messe an.  Neben Besuchern kamen auch die ersten Wettkampfteilnehmer, Nano-Becken wurden „Plug’n’Play“ aufgestellt und XL-Becken zügig aufgebaut. Es ist schon beeindruckend, einem Aquascaper über die Schulter zu schauen, doch was tut man, oder besser gesagt, was fühlt man als begeisterter Aquarianer, wenn vor den Augen an die 60 überwiegend erstklassigen Aquarien eingerichtet werden? Man weiß nicht, wohin man schauen soll, und möchte am liebsten überall gleichzeitig sein.

Jeder Schritt wird dokumentiert
Jeder Schritt wird dokumentiert

Auf dem Boden verteilt stehen unzählige Kisten mit Zuhause sorgfältig präparierten Pflanzen und Hardscape. Alle Teilnehmer arbeiten geschäftig und man hat das Gefühl, in einem menschlichen Ameisenhaufen zu stehen, wo jeder einzelne genau weiß, was er zu tun hat. Alle arbeiten auf das gleiche Ziel hin, jeder möchte so schnell wie möglich fertig werden, um als erster sein Aquarium mit Wasser zu füllen. Es gibt nur zwei Wasseranschlüsse; wer langsam ist, muss auch länger warten. Aber es ist nicht nur das Wasserproblem, man will auch den anderen über die Schulter schauen, die Konkurrenz begutachten und seine Chancen abwägen. Die einen filmen sich beim Einrichten, die anderen beobachten das Geschehen und machen fleißig Bilder. Von irgendwoher hört man Musik und vergisst dabei fast, auf einer Messe zu sein. Der Aquascaping-Bereich hat eine schwarze Spanndecke bekommen und erhielt so eine fast häusliche Atmosphäre.

Wie in jedem Jahr stieg das Niveau weiter an, ähnlich dem IAPLC, der Weltmeisterschaft im Aquascaping, suchten einige Teilnehmer nach anderen Möglichkeiten, um zu punkten und sich von der Konkurrenz abzuheben: Oliver KNOTT verwendete in seinem „Dragon-Hunter“- Aquarium einen vom Italienischen Bildhauer Giulio GOLINELLI handgefertigten Drachen. Im gleichnamigen Fantasy-Roman leben die Menschen auf dem Rücken eines Monsters, das sich von ihnen ernährt. Für die suchenden nach einer nicht aquaristischen Lektüre ist dieses Buch wärmstens zu empfehlen. Bernd TERLETZKI verpasste seinem Becken sechs Löcher und brachte den Sand zum Fließen. Ein Vulkan spuckte scheinbar unendlich viel weißen Sand aus, der dann langsam seinen Weg ins Tal suchte, bis dieser schließlich durch ein verstecktes Kanalsystem wieder zum Vulkan zurückgeleitet wurde. In der Nano-Kategorie versuchten gleich mehrere Teilnehmer, die Gestaltungsfläche mit Bonsai Schalen zu vergrößern und konzentrierten sich dabei zum Teil zu sehr auf den Außenbereich der, wenn

Svetlana GALUSHA-GONCHARYONOK aus der Ukraine war die am weitesten angereiste Wettbe - werbsteilnehmerin, hier mit Oliver KNOTT vor dessen „Dragon-Hunter“-Aquarium
Svetlana GALUSHA-GONCHARYONOK aus der Ukraine war die am weitesten angereiste Wettbe –
werbsteilnehmerin, hier mit Oliver KNOTT vor dessen „Dragon-Hunter“-Aquarium

man die Regeln genau nimmt, nicht mitbewerbet werden darf. Mal schauen, vielleicht stelle ich nächstes Jahr ein Nano-Becken in ein XL-Aquarium und auf den leeren Platz ein Schild: „Ich bin umgezogen“. Svetlana GALUSHA-GONCHARYONOK reiste eigens aus der Ukraine an, um am Wettbewerb teilzunehmen und sich mit den Deutschen Aquascapern zu messen. Schon fast traditionell drehte Piotr KIERZKOWSKI von definiteaquascape. tv von jedem Becken ein kurzes Video und bot so allen Interessierten eine kostenlose Möglichkeit, sich die Aquarien auf seiner Internetseite anzuschauen. Näher dran ist nur, wer selbst da gewesen ist. Ein weiteres Messehighlight war der Stand von ADA-Deutschland. Neben zahlreichen schön eingerichteten Naturaquarien war auch das Aquarium aus dem AF-228 ausgestellt und erstrahlte voller Vitalität. Ammania ‘Bonsai’ trieb sogar zur Feier der Messe kleine Blüten unter Wasser aus. Außerdem sorgte das aus Japan importierte original ADA-Hardscape bei vielen Aquascapern für starke Emotionen. Erstmals war es möglich, die aus Takashi AMANOs Werken bekannten Wurzeln und Steine in eigene Hände zu nehmen. Manten- und Unzan-Stones waren dabei des Publikums Lieblinge und ebenso schnell ausverkauft. Um die Möglichkeiten des neuen Materials zu demonstrieren, nahmen Andi HOFSTETTER, Boris HILDEBRAND und ich als ADA-Team am Wettbewerb teil und richteten das „Unzan-World“-Aquarium ein.

Trotz gemeinsamer Anstrengungen war ein Platz unter den Top10 nicht drin. Hier wird von der Jury zu großer Wert auf vorgezogene Pflanzen gelegt, was unter anderem alle Aquascaper außerhalb der EU daran hindert, am Wettbewerb teilzunehmen, weil die Chancen ohne vorgezogene Pflanzen von vorn herein sehr gering sind. Hier sollte vielleicht eine zusätzliche Kategorie geschaffen werden, bei der die Aquarien vor Ort ohne vorkultivierte Pflanzen eingerichtet werden.

Nano-Siegerin Annika REINKE mit dem Siegerpreis von Takashi AMANO
Nano-Siegerin Annika REINKE
mit dem Siegerpreis von
Takashi AMANO

Jeden Abend wurde auf dem ADA-Stand eine bepflanzte Wabikusa-Schale verlost. Wabikusa sind bepflanzte Glasschalen, in denen die aus dem Aquarium bekannten Pflanzen emers gedeihen und häufig sogar Blüten bilden. Am Samstagabend fand dann die Scapers Night statt. Harald SOßNA bedankte sich bei allen Teilnehmern und nahm sich die Zeit, jeden einzelnen vorzustellen. Mich erwähnte er lächelnd mit den Worten: „Jurijs JUTJAJEVS–Der Verrückte, der sich jedes Jahr nicht zu schade, ist an seinem Geburtstag hierher zu kommen. Wer weiß, vielleicht gibt es um Mitternacht gratis Bier?!“ Man hat sich an die vorigen Jahre erinnert und herausragende Leistungen gewürdigt. Nachdem das Buffet geplündert war, ging es mit der Siegerehrung weiter. Hier eine kurze Auflistung: Nano-Sieger: 1. Annika REINKE, 2. Tim SCHMIEDESHOFF, 3. Volker JOCHUM, 4. Maciej STRZALKO, 5. Anja FLOYTRUP, 6. Tobias FRICKE, 7. Piotr DYMOWSKI, 8. Andreas RUPPERT, 9. Oliver KNOTT, 10. Jonannes JULY, Sonderpreis Matthias KESSEL. XL-Aquarien-Sieger: 1. Adrie BAUMANN, 2. Volker JOCHUM, 3. Piotr DYMOWSKI, 4. Keith ECKARDT, 5. Jan-Simon KNISPEL, 6. Georg Werner JUST, 7. Malgorzata TARCZYNSKA, 8. Michal MACIEJEWICZ, 9. Tobias FRICKE, 10. Oliver KNOTT, Sonderpreis Jens HELEMANN. Nachdem die Teilnehmer ausgezeichnet wurden, bedankte sich Jörg BUHLMANN, Geschäftsführer von ADA-Deutschland, bei den Juroren und überreichte von Takashi AMANO handsignierte Bücher als Dank für die Förderung seines Lebenswerkes. Die Erstplatzierten bekamen ebenfalls ein Handsigniertes Buch und waren sichtbar gerührt. Nun folgte, womit niemand gerechnet hatte: Harald SOßNA gab bekannt, sein Amt des Organisators weiterreichen zu wollen. Es folgten sehr persönliche Worte; man kennt sich seit mindestens sechs Jahren und ein Stück Geschichte geht zu Ende. Harald versicherte, die Zügel an einen von ihm abgesegneten Nachfolger zu übergeben, dem Aquascaping und das Hobby genauso am Herzen liegt wie ihm. Mit etwas Wehmut ging die Scapers Night fließend in meine Geburtstagsfeier über und zu meiner Erleichterung (wegen meines Budgets) folgten nicht all zu viele in die Hotel Bar.

Am Sonntag folgten auf der Messe viele lockere Gespräche und es wurden Pläne für das nächste Jahr geschmiedet. Erstmals fand auch ein Terrascaping-Wettbewerb statt, bei dem ähnlich kunstvoll wie beim Aquascaping Terrarien eingerichtet wurden. Hierfür werden die kommen Jahre sicher ebenso fruchtbar sein wie beim dem Aquascaping. Bemerkenswerter als der Aufbau ist stets der Abbau der Aquarien. Was in stundenlanger akribischer Arbeit gestaltet wurde, wird in wenigen Minuten abgebaut. Die Meisten hatten ihre Becken wohl schon zu lange im Voraus eingerichtet und konnten es kaum erwarten, wieder etwas Neues zu gestalten. Auch ich baute meine Aquarien ab und machte mich am späten Abend auf die Heimreise. Wir sehen uns in Hannover 2014!

Quelle: Jurijs Jutjajevs, Aquarstik Fachmagazin, Ausgabe 230

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